SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG

Sport als Medizin

Die Prävention wurde in der kardiovaskulären Forschung lange Zeit vernachlässigt. DZHK-Wissenschaftler wollen das ändern. Prävention soll stärker auf den einzelnen zugeschnitten werden. Und es gilt, Menschen, die aktiv sein wollen, möglichst lange darin zu bestärken.
Wer über Prävention spricht und nicht die Krebsvorsorge meint, bezieht sich meist auf kardiovaskuläre Prävention – und damit auf körperliche Aktivität. Ob der gesunde, junge Erwachsene, der Diabetespatient mittleren Alters oder die übergewichtige Seniorin mit Bluthochdruck: Sie alle profitieren von mehr Bewegung. In letzter Konsequenz ist es das Herz, dem die Bemühungen gelten. Denn Herzinfarkt und Herzschwäche sind – neben dem Schlaganfall – die Erkrankungen, die durch kardiovaskuläre Prävention am besten verhindert, hinausgezögert oder abgemildert werden können.

Dass das funktioniert, daran lässt Martin Halle vom Zentrum für Prävention und Sportmedizin am DZHK-Standort der Technischen Universität München keinen Zweifel: „Durch körperliche Aktivität und geeignete Ernährung können wir die Häufigkeit von Herzinsuffizienz um bis zu 60 Prozent und die einer symptomatischen koronaren Herzerkrankung um bis zu 50 Prozent verringern." Das gilt unabhängig von der Veranlagung: „Wer ein genetisches Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mitbringt, der kann durch einen entsprechenden Lebensstil sein Risiko unter das eines inaktiven Menschen ohne genetische Risikofaktoren senken."

Ziel: mehr Prävention in der Breite

Weniger klar ist, wie sich die „Präventionsbereitschaft" verbessern lässt. Hier sehen Prof. Sabina Ulbricht und Prof. Marcus Dörr einen Schwerpunkt der DZHK-Forschung. „Wenn wir die kardiovaskuläre Prävention in der Breite verbessern wollen, dann müssen wir auf Bevölkerungsebene interventionell tätig werden", so Ulbricht. Sie ist Inhaberin der DZHK-Professur für „Behaviorale Prävention kardiovaskulärer Risikofaktoren in der Bevölkerung" am Institut für Sozialmedizin und Prävention am DZHK-Standort Greifswald. Marcus Dörr ist in der AG Kardiovaskuläre Epidemiologie, ebenfalls in Greifswald, aktiv.
Wie solche Maßnahmen aussehen können, haben die Greifswalder in mehreren Pilotstudien untersucht. Dabei kommen häufig tragbare Messgeräte, sogenannte Accelerometer, zum Einsatz, um die Aktivität möglichst objektiv zu erfassen. Denn in Fragebögen schätzen sich viele Menschen selbst falsch ein. Insbesondere die für viele Herzpatienten empfohlene „moderate" Aktivität wird überschätzt: „Das Accelerometer zeigt dann oft eher eine nur leichte Aktivität", so Ulbricht.

In der Zwischenauswertung einer laufenden Studie in Greifswald ist das deutlich sichtbar: In Fragebögen geben 70 Prozent der Probanden ihr Bewegungspensum so an, dass es der WHO-Empfehlung entspricht, also mindestens eine halbe Stunde moderate körperliche Betätigung an den meisten Tagen der Woche umfasst. Bei der Accelerometer-Messung waren es tatsächlich nur zwölf Prozent. Wurde den Probanden ein Video vorgespielt, in dem ein Trainer zeigte, was gefordert ist, war das Ergebnis besser. Die Messgeräte haben aber auch methodische Probleme: „Menschen verhalten sich anders, wenn sie solche Tools nutzen, und es wird nicht jede Art von Bewegung gleich gut erfasst."

Bewegungsmuffel bei der Stange halten

Ein Hauptproblem vieler Präventionsprojekte ist die mangelnde Nachhaltigkeit: „Viele Studien zeigen, dass sich die Aktivität über einen bestimmten Zeitraum steigern lässt. Aber was wir wirklich brauchen, ist eine dauerhafte Verhaltensänderung", so Marcus Dörr. Das gilt in der Primärprävention, genauso aber auch bei Menschen, bei denen Komplikationen von Herzerkrankungen verhindert oder das Fortschreiten einer Herzerkrankung gebremst werden sollen.
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PATIENTEN MÜSSEN NICHT BIS ZUR LEISTUNGSGRENZE GEHEN, SONDERN MÖGLICHST TÄGLICH UND LANGFRISTIG AKTIV SEIN.
Motivationstechniken sind eine Möglichkeit, für mehr Nachhaltigkeit in der Prävention zu sorgen. Eine aktuelle, dreiarmige Studie in Greifswald vergleicht bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine Standardversorgung mit einem angeleiteten Training, wobei die Hälfte der trainierenden Patienten zusätzlich durch motivierende Gespräche zu langfristiger Aktivität angehalten wird. „Möglicherweise bleiben die Patienten dadurch besser am Ball", hofft Dörr. „Wenn das so ist, macht es Sinn, das Personal gezielt zu schulen, um die Chance auf einen langfristigen Trainingserfolg zu erhöhen."

Ein anderer Ansatz ist es, Trainingsgruppen zu bilden. Er wurde in einer DZHK-Studie bei 60 Patienten mit koronarer Herzerkrankung untersucht, die über drei Monate ein komplexes Ernährungs- und Bewegungsprogramm absolvieren sollten. Sabina Ulbricht erklärt: „Hier haben wir sehr deutlich gesehen, wie wichtig eine gute Gruppendynamik ist. In gut funktionierenden Gruppen haben die Patienten die Therapiemaßnahmen besser umgesetzt als in Gruppen, in denen es zwischenmenschlich nicht geklappt hat."

Personalisierte Prävention: Blick ins Metabolom

Ebenfalls viel Forschungspotenzial steckt in dem Wunsch nach einer immer persönlicheren kardiovaskulären Prävention. Interessant ist das vor allem bei Patienten, die bereits eine Herzerkrankung haben. „Hier sind wir noch ganz am Anfang", betont Dr. Martin Bahls, der in der Arbeitsgruppe von Professor Dörr forscht.
WICHTIG IST VOR ALLEM, DASS DAS VERHALTEN AUF DAUER UMGESETZT WIRD.
Bahls hat mit Kollegen aus den DZHK-Standorten München, Göttingen und Berlin gerade die molekulare Analyse einer Trainingsstudie publiziert, an der 64 Patienten mit Herzschwäche (HFpEF) teilgenommen hatten. Untersucht wurde das Metabolom, also die Gesamtheit der Stoffwechselprodukte im Blutplasma. Dabei identifizierten die Wissenschaftler zwei Gruppen mit ganz unterschiedlicher Stoffwechselreaktion.

Anhand klinischer Parameter ließen sich diese Gruppen nicht unterscheiden, wohl aber anhand psychischer Faktoren: Patienten, die sich beim Training wohlfühlten, zeigten eine andere Stoffwechselreaktion als Patienten, die sich nicht wohlfühlten. Weitere Untersuchungen sollen jetzt klären, ob sich das nutzen lässt, um Sportprogramme stärker auf einzelne Herzschwächepatienten zuzuschneiden.

Interview

Auch mit künstlicher Pumpe: Herzpatienten sollten trainieren

Wer an einer Herzschwäche leidet, bei dem wird schnell die Luft knapp. Doch auch diese Patienten ziehen aus körperlicher Aktivität einen Nutzen, sagt Prof. Martin Halle vom DZHK-Standort München.
Patienten mit Herzschwäche wird empfohlen, sich sportlich zu betätigen. Was heißt das genau?
Diese Patienten sollten sich möglichst täglich moderat belasten. Wie viel das im Einzelfall ist, hängt vom Patienten und dessen Beschwerden ab. Bei manchen ist es schon ein Erfolg, wenn es gelingt, täglich spazieren zu gehen. Andere Patienten, vor allem in früheren Krankheitsstadien, schaffen auch mehr.
Je mehr, desto besser?
Jein. Es gab eine Zeit lang die Hypothese, dass Herzpatienten von einem intensiven Training mehr profitieren als von einer nur moderaten körperlichen Bewegung. Das scheint nicht zu stimmen. Es gibt aktuell eine EU-Studie bei systolischer Herzschwäche sowie eine große deutsche Studie, die sich auf die diastolische Herzschwäche konzentriert und an der mehrere DZHK-Zentren beteiligt sind. Diastolische Herzschwäche nimmt im Moment stark zu, weil sie mit Bluthochdruck, Übergewicht und Typ-2-Diabetes in Zusammenhang steht. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber was wir schon sagen können ist, dass die Effekte von moderatem Training und Intervalltraining ähnlich sind. Entscheidend ist nicht, dass die Patienten bis zur Leistungsgrenze gehen, sondern dass sie möglichst täglich und langfristig aktiv sind.
Wie genau profitieren die Patienten davon?
Sie werden auf jeden Fall deutlich besser belastbar. Darüber hinaus nimmt man an, dass ihre Lebensqualität steigt, dass sie weniger Komplikationen entwickeln und vielleicht sogar länger leben. Bewiesen ist das noch nicht. Aber wir haben Grund zu Optimismus.
Auch bei den wirklich schwer kranken Patienten?
Auch bei denen. Eine spannende DZHK-Studie, die Ex-VAD-DZHK11-Studie, untersucht derzeit unter der Leitung von Prof. Frank Edelmann von der Charité Berlin und uns den Nutzen eines Trainingsprogramms bei Patienten mit linksventrikulärem Assist-Devices (LVAD). Sie ist ein Beispiel dafür, wie Studien von der Zusammenarbeit mehrerer DZHK-Standorte profitieren können. LVAD sind künstliche Herzpumpen bei Menschen, die auf der Warteliste für eine Herztransplantation stehen. Auch hier denken wir, dass wir durch ein, natürlich angepasstes, Training nicht nur Belastbarkeit und Lebensqualität, sondern auch die langfristigen Aussichten verbessern können – bis hin zum Überleben auf der Transplantationsliste.
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