SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der Deutschen Zentren
der Gesundheitsforschung (DZG)

SCHNELLER
IN DIE
ANWENDUNG

Eines der wichtigsten Ziele der DZG ist Translation – die Überführung von Erkenntnissen aus der Forschung in die medizinische Praxis. Sie verläuft in Phasen. Wir zeigen hier sieben Beispiele dafür, wie Projekte der DZG in diesen Phasen aktiv sind.
1
PRÄKLINISCH
„Präklinisch" nennt man grundlegende Forschung im Labor mit dem Ziel, Krankheitsmechanismen zu verstehen und eine solide Basis für spätere Entwicklungen zu schaffen.
EINDÄMMUNG FEHLGELEITETER ANTIKÖRPER
Forschende des DZNE und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben einen Ansatz entwickelt, um die sogenannte NMDA-Rezeptor-Enzephalitis präziser als bisher zu behandeln: Sie programmieren dafür weiße Blutkörperchen so um, dass sie krankmachende Zellen ausschalten. Das Verfahren hat sich in Labortests mit Mäusen bewährt, klinische Studien am Menschen sind in der Planung.

Die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis ist eine schwere autoimmune Entzündung des Gehirns, die mit Gedächtnisstörungen, epileptischen Anfällen und Psychosen einhergehen kann. Auslöser sind körpereigene Antikörper, die fälschlicherweise das Gehirn angreifen. Während bisherige Therapien das Immunsystem pauschal unterdrücken, zerstört das neue Verfahren nur jene Körperzellen, die die problematischen Antikörper herstellen.
#DZNE
2
KLINISCH
In der klinischen Phase werden die Forschungsergebnisse am Menschen erprobt, um die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapieansätze zu prüfen.
ANTIBIOTIKAKANDIDAT GEGEN TUBERKULOSE
Tuberkulose ist weltweit die häufigste durch bakterielle Infektionen verursachte Todesursache; Menschen mit geschwächtem Immunsystem und HIV-Infizierte sind besonders gefährdet. Nach Angaben der WHO sterben jährlich etwa 1,6 Millionen Menschen daran, vor allem in Südostasien, Afrika und dem Westpazifik. Eine Herausforderung ist das Auftreten resistenter Keime, gegen die nur wenige Antibiotika wirken. Der Antibiotikakandidat BTZ-043, entdeckt am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut und weiterentwickelt unter Beteiligung des DZIF, zeigt vielversprechende Ergebnisse auch gegen multiresistente Stämme und erhielt 2023 weltweiten Patentschutz.

In präklinischen Tests und Phase-I-Studien zeigte BTZ-043 gute Verträglichkeit, Sicherheit und Wirksamkeit. Derzeit wird der 2023 zum Leibniz-Wirkstoff des Jahres gekürte Antibiotikakandidat in mehreren klinischen Phase-II-Studien in verschiedenen Dosierungen und Kombinationen mit anderen Therapeutika getestet, um Behandlungsstrategien für arzneimittelresistente Tuberkulose zu optimieren.
#DZIF
3
PATENT
Erst durch Patente wird ein erfolgreicher Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis möglich.
KANDIDAT FÜR DIABETES-MEDIKAMENT
Der Wirkstoff Dextromethorphan (DXM) ist vor allem als Hustenstiller bekannt. Untersuchungen zeigen, dass DXM ebenso die Inselzellen im Pankreas schützt und den Blutzucker senken kann. Allerdings wirkt das Medikament auch auf das Gehirn und kann Schwindel und Müdigkeit verursachen. DZD-Forschende haben DXM so modifiziert, dass es Insulin-produzierende Zellen schützt und den Blutzucker senkt - ohne Nebenwirkungen auf das Gehirn zu haben. Die chemischen Veränderungen verhindern die Passage durch die Blut-Hirn-Schranke. In Mäusen bewahrt das Derivat die Zellen in der Bauchspeicheldrüse vor dem Zelltod, ohne ihr Verhalten zu beeinträchtigen. Ein US-Patent wurde für diese Derivate erteilt. Der modifizierte Wirkstoff wird nun weiterentwickelt. Er gilt als hoffnungsvoller neuer Kandidat für Diabetes-Medikamente.
#DZD
4
LEITLINIE
Als systematisch entwickelte Empfehlungen, basierend auf wissenschaftlicher Evidenz, helfen Leitlinien, Entscheidungen in der Patientenversorgung zu treffen.
ERSTE LEITLINIE FÜR BRONCHIEKTASEN-ERKRANKUNG
Eine echte Pionierleistung wurde unter Federführung von DZL-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern vollbracht: Die erste deutschsprachige Leitlinie „Management erwachsener Patientinnen mit Bronchiektasen-Erkrankung" ist verabschiedet. Bronchiektasen sind Erweiterungen der Bronchien, die mit gestörtem Sekrettransport, chronischer Entzündung und häufigen Infektionsepisoden einhergehen. In den letzten Jahren konnte die noch schmale Forschungsdatenbasis deutlich verbessert werden: Das DZL-assoziierte Bronchiektasen-Register PROGNOSIS und das europäische Register EMBARC sammeln Daten und Biomaterialien, um diese vernachlässigte Erkrankung besser zu verstehen. Zudem widmet ihr das DZL ab 2024 einen Schwerpunkt. Die nun verabschiedete Leitlinie fasst den Forschungsstand zusammen und gibt hilfreiche Empfehlungen für den klinischen Alltag.
#DZL
5
AUSGRÜNDUNG
Beim Sprung in die Praxis können Ausgründungen helfen, die innovative Wirkstoffe oder Therapieansätze weiterentwickeln und vermarkten.
KREBSDIAGNOSTIK ANHAND VON DNA-METHYLIERUNGSMUSTERN
Mit innovativen, komplexen KI-Algorithmen konnten Forschende des DKTK-Programms „Molekulare Diagnostik, Früherkennung und Biomarker" spezifische Methylierungsmuster in der DNA identifizieren. Diese genetischen Fingerabdrücke sind Grundlage für präzise Vorhersagemodelle, sogenannte Classifier. Sie können Tumore mit hoher Genauigkeit diagnostizieren und helfen, die beste Behandlungsstrategie auszuwählen. Das Start-up Heidelberg Epignostix will Classifier als diagnostisches Produkt weltweit vermarkten. Dafür kooperiert das interdisziplinäre Expertenteam mit führenden internationalen Krebsforschungsinstitutionen.

Erste Anwendung ist die Klassifizierung von Hirntumoren, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Im Juli 2024 wurde die Finanzierung für die Markteinführung des „Hirntumor Classifiers" als zugelassenes „in vitro"-Diagnostikprodukt bereitgestellt. Die Technologie könnte künftig bei vielen weiteren onkologischen Fragestellungen eingesetzt werden.
#DKTK
6
ESSENZIELLE INFRASTRUKTUR
Die Bereitstellung essenzieller Infrastrukturen, etwa in Form von Biobanken, ist ebenfalls wichtig für eine effiziente Forschung und Entwicklung.
NUTZUNG VON DATEN AUS SMARTPHONES UND WEARABLES
Die Infrastruktur Digital Mental Health entwickelt als Netzwerk von Expertinnen und Experten Methoden weiter, um Stimmungs-, Bewegungs- und andere Alltagsdaten per Smartphone und Wearables zu erfassen. Die dadurch generierten Forschungsergebnisse zu Mechanismen und Risikofaktoren werden anschließend genutzt, um digitale Gesundheitsanwendungen für Diagnostik und Therapie psychischer Erkrankungen zu entwickeln, die direkt in der Lebenswelt der Menschen genutzt werden können. Um diese Translation zu unterstützen, bietet die Infrastruktur Beratung zur Nutzung digitaler Plattformen, zur automatisierten Echtzeit-Datenanalyse und zur Entwicklung von Gesundheitsanwendungen gemäß EU Medical Device Regulation an. Das soll die Einführung neuer digitaler Innovationen beschleunigen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Forschung im Bereich Digital Mental Health stärken und die Versorgungsqualität steigern.
#DZPG
7
MARKTZULASSUNG
Ein großes Ziel ist die Marktzulassung von neu entwickelten Therapien oder Diagnoseverfahren – so können sie im klinischen Alltag in der Breite Anwendung finden.
NEUE HOFFNUNG FÜR HERZPATIENTEN:
MITRALKLAPPENSTENT OHNE VOLLNARKOSE
Eine unzureichend schließende Mitralklappe führt häufig zu Atemnot und eingeschränkter Leistungsfähigkeit. In Deutschland leiden etwa eine Million Menschen an einer behandlungsbedürftigen Mitralklappeninsuffizienz, wobei ein offener Herzklappenersatz für viele – besonders ältere – Patientinnen und Patienten zu riskant ist. Prof. Georg Lutter vom DZHK-Standort Kiel hat mit DZHK-Förderung einen innovativen Stent entwickelt, der minimalinvasiv am schlagenden Herzen eingesetzt werden kann.

Das Besondere: Der Eingriff erfolgt ohne Vollnarkose und ohne eine offene Herzoperation. Der Stent wird über einen kleinen Schnitt im Brustkorb ins Herz geführt und unter Ultraschall- und Röntgenkontrolle präzise positioniert. Der Eingriff dauert etwa 1,5 Stunden und verbessert die Funktion der Mitralklappe erheblich. Der „Tendyne“-Stent, mit dem mittlerweile fast 2.000 Menschen erfolgreich behandelt wurden, ist das Ergebnis jahrelanger Forschung. Seit 2020 ist er in Europa (Conformité Européenne, CE) für Hochrisikopatientinnen und -patienten zugelassen.
#DZHK
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram