SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG

Beschwerden lindern – Krankheiten bekämpfen

Die DZG bringen immer wieder bahnbrechende neue Ansätze zu besseren Therapieoptionen hervor.
Ob ein Gewebepflaster oder optimierte Antikörper gegen Krebs:
Gerade bei den Volkskrankheiten kann man mit gut vernetzter wissenschaftlicher Kompetenz viel erreichen.
Bereits in der
Steinzeit wurden
Brüche geschient.
Bei starken Schmerzen oder Beschwerden hatte der Mensch schon immer ganz instinktiv den Drang, möglichst schnell zu handeln. Er suchte Linderung – eine Therapie. Vom griechischen Wort für Pflege, Dienst oder Heilung abgeleitet, beschreibt dieser Begriff alle Maßnahmen, die Behinderungen, Krankheiten und Verletzungen positiv beeinflussen.

„Bereits in der Steinzeit wurden Brüche geschient, weil so eine Verletzung große Schmerzen verursacht und es deshalb naheliegend ist, den Arm oder das Bein ruhig zu stellen. Dann hat man gesehen, dass der Bruch heilt – ohne wirklich zu wissen warum", erklärt Professor Cornelius Borck, Direktor des Instituts für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität zu Lübeck.

„Medizin ist so alt wie die menschliche Kultur: Es hat sich schon immer herumgesprochen, dass man, wenn man auf dieser Nuss kaut oder jenen Tee trinkt, berechtigte Hoffnung haben kann, dass sich Beschwerden bessern. Das probiert man natürlich aus und konsultiert Quellen, bei denen man solche Tipps bekommen kann."

Gemeinsam bestmöglichen Erfolg erreichen

Es waren solche Erfahrungen, aus denen Stück für Stück die moderne Medizin erwachsen ist, die wir heute kennen. Inzwischen werden mögliche Heilmittel und Heilmethoden genauestens erforscht und es wird gründlich geprüft, wo Wirksamkeit empirisch nachgewiesen werden kann. An einer erfolgreichen Therapie haben dann viele Menschen Anteil:

Neben den Patientinnen und Patienten selbst sind das vor allem die Medizinerinnen und Mediziner, die behandeln, sowie Forscherinnen und Forscher, welche die Grundlagen für neue oder verbesserte Therapien legen. Zudem auch die Hersteller von Medikamenten und Medizintechnik sowie Krankenkassen und Patientenorganisationen – alle gemeinsam erreichen den bestmöglichen Erfolg.

Die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung bilden mit ihrer Arbeit an den großen Volkskrankheiten die föderale, kooperative Stärke von Forschung in der Medizin in Deutschland ab. Diese ist einerseits geprägt von der kompletten Standardisierung medizinischer Forschung mit randomisiert kontrollierten Studien und evidenzbasierter Medizin – und andererseits von extrem stark spezialisierter Ausrichtung unter Stichworten wie Precision Medicine oder Big Data.

Gerade bei den Volkskrankheiten erreicht man im klinischen Alltag enorme Verbesserungen in der Therapie, wenn bei einem scheinbar uniformen Krankheitsbild unterschiedliche Patientengruppen identifiziert und genauer untersucht werden. Ein Beispiel dafür liefert etwa die Arbeit des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung: In Studien konnte es unterschiedliche Subtypen des Diabetes ausmachen. Das offenbart Erkenntnisse, die eine genauere und damit bessere Behandlung und Risikovorsorge möglich machen.
ERST SEIT MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS KANN MEDIZIN REGULATIONSPROZESSE DES KÖRPERS UNTERBRECHEN ODER UMLENKEN.

Echte Durchbrüche

Die zuverlässige Therapie vieler, auch lebensbedrohlicher Erkrankungen ist für uns im Alltag sehr vertraut. Dabei ist sie ein noch recht junges Phänomen: Dass Medizin Regulationsprozesse des Körpers unterbrechen oder in die Gegenrichtung lenken kann, ist erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts wirklich möglich und seit den 1920er-Jahren als Praxis erlebbar:
„Zuvor konnte sie eher nur die Aufgabe übernehmen, das natürliche Krankheitsgeschehen möglichst günstig zu beeinflussen und alles dafür zu tun, dass der Körper gestärkt wird und Krankheiten damit im Zaum gehalten werden können", so Borck. Auf diesem Weg passierten auch tragische Irrtümer: Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde beispielsweise Aderlass praktiziert, psychische Krankheiten sollten durch Schnitte ins Vorderhirn bei der sogenannten Lobotomie geheilt werden und Darmparasiten wurden mit Tabak-Klistieren behandelt.

Echte Durchbrüche, die viele Menschenleben retteten, waren dann Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts beispielsweise die Entdeckung von Penicillin zur Behandlung von Infektionskrankheiten und von Salvarsan als Mittel gegen Syphilis – die „Wonder Drugs" dieser Zeit, wie sie auch genannt werden.

Heute sehen wir mit den multiresistenten Keimen die problematischen Folgen einer allzu leichtfertigen Anwendung von Antibiotika. Gleichzeitig erleben wir ganz aktuell die rasante Forschung zur Covid-19-Infektion: Noch vor der weltweiten Ausbreitung des neuen Virus war seine biologische Struktur entschlüsselt und inzwischen sind verschiedene Medikamente und Impfstoffe auf dem Weg.

Kleine, aber bedeutende Schritte

Im neuen Jahrtausend macht die medizinische Forschung auf der Suche nach Therapiemöglichkeiten jedoch nur noch selten große Schritte, stattdessen eher viele – vermeintlich – kleine. „Die können für die einzelne Patientin oder den einzelnen Patienten aber immense Bedeutung haben. Und gerade bei den Volkskrankheiten zahlen sich alle Erkenntnisse in der Summe aus", so Borck.

Gleichwohl beobachtet er das Phänomen, dass wir eine so erfolgreiche Medizin haben, dass ihre Erfolge nicht mehr richtig wahrgenommen werden: „Die meisten Menschen erwarten inzwischen von den Ärztinnen und Ärzten, alles beherrschen zu können und immer auf alle Fragen eine Antwort zu haben. Die Gewöhnung an die Effizienz der modernen Medizin lässt verblassen, wie außergewöhnlich das ist, was schon geschaffen worden ist."
NOCH BIS INS 19. JAHRHUNDERT HINEIN WURDEN AMPUTATIONEN OHNE BETÄUBUNG DURCHGEFÜHRT – NUR UNTER DEM EINSATZ VON ALKOHOL.
So ist es bei Krebs als Erkrankung mittlerweile gelungen, durch ein wachsendes Verständnis der zugrundeliegenden Krankheitsprozesse ganz viele einzelne Schicksale von Menschen mit dieser Diagnose sehr gut zu lenken:
„Man kann nicht sagen, dass der Krebs besiegt ist, aber man kann beispielsweise Lymphome auch im fortgeschrittenen Alter oftmals chemotherapeutisch noch so behandeln, dass wirklich Lebenszeit geschenkt wird."

Die Forscher des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung arbeiten dafür etwa an Möglichkeiten, Tumore über genetisches Sequencing noch genauer zu diagnostizieren und dadurch gezielter zu behandeln. Als weiteres Beispiel nennt Borck die Cystische Fibrose: „Das ist weiterhin eine schreckliche Diagnose, aber neue Interventionsmöglichkeiten verbessern sehr stark das Leben der Kinder mit dieser Diagnose." In Studien zur Behandlung von Säuglingen mit Kochsalzlösung hat hier das Deutsche Zentrum für Lungenforschung ganz konkrete Ansätze zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsverlaufs gefunden – der Artikel "Eine Erbkrankheit verliert an Schrecken" in diesem Magazin berichtet darüber.

Rasche Translation in die Praxis

Viele solcher Erfolgsmeldungen konnten bereits veröffentlicht werden und die Teams der DZG arbeiten kontinuierlich an weiteren. Die Zentren setzen sich insbesondere dafür ein, die Erkenntnisse ihrer Forschung möglichst rasch in die Praxis zu bringen, damit Patientinnen und Patienten unmittelbar davon profitieren. So sind bereits Ergebnisse aus der Arbeit der DZG in die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften eingeflossen – eine wichtige Voraussetzung für die breite Anwendung in der Praxis und auch für die Übernahme der Kosten von Therapien durch die Krankenkassen.

Die Ergebnisse einer bundesweiten Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) über Netzwerke der regionalen Versorgung von Menschen mit Demenz wurden beispielsweise im Zweiten Pflegestärkungsgesetz berücksichtigt. Dadurch bekommen regionale, selbst organisierte Gesundheitsnetzwerke finanzielle Unterstützung – und davon profitieren Menschen mit Demenz und ihre Angehörige. Durch solche Entwicklungen wird möglich, was mitunter wertvolle Lebenszeit und Gesundheit schenkt: Wer ein Leiden hat, kann schnell und direkt Hilfe finden.

FAKTEN GESTERN UND HEUTE

1. JH. N. CHR.

Im 1. Jahrhundert nach Christus wollte der griechische Arzt Galenos von Pergamon, Hippokrates' Säftelehre folgend, den Brustkrebs seiner Patientinnen durch Kräuter heilen, die zum Erbrechen führten. So sollte die Balance zwischen Blut, Schleim, schwarzer und gelber Galle wiederhergestellt werden. Heute werden gut 70 Prozent der Brustkrebspatientinnen brusterhaltend operiert und erhalten anschließend eine Strahlentherapie. Wird Brustkrebs frühzeitig erkannt, gilt er zu 80 Prozent als heilbar.

14. JH.

Im 14. bis 15. Jahrhundert lag die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen bei 29,8 Jahren, von Männern bei 28,4 Jahren. Heute haben in Deutschland geborene Jungen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 78,5 Jahren, Mädchen von 83,3 Jahren. Dafür verantwortlich ist neben besserer Hygiene und Ernährung auch die Medizin der jüngsten Vergangenheit.

19. JH.

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Amputationen ohne Betäubung durchgeführt – nur unter dem Einsatz von Alkohol. Heute ermöglichen moderne Narkoseverfahren eine lange und schonende Anästhesie bei Operationen und Behandlungen.
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