Weitere Ausbrüche „hochwahrscheinlich"
Es treten weltweit regelmäßig neue Viren auf. So wurde beispielsweise das MERS-Coronavirus erstmals 2012 auf der arabischen Halbinsel identifiziert, SARS bereits 2003 in Südchina. „Dafür ist unter anderem die zunehmende Mobilität verantwortlich, gerade auch in Afrika, und die Tatsache, dass der Mensch aufgrund seiner wachsenden Population in immer mehr Bereiche vordringt, in denen er mit Tieren und dadurch mit den Erregern in Kontakt kommt", sagt Gerd Sutter. Der Virologe und Veterinärmediziner leitet das Institut für Zoonosen und Infektionsmedizin an der LMU in München und arbeitet im DZIF an der Impfstoffentwicklung. „Mit weiteren Krankheitsausbrüchen durch neue, hochpathogene Viren ist deshalb immer zu rechnen."
Einige Infektionskrankheiten werden von Tieren auf Menschen übertragen. Zu diesen Zoonosen gehören unter anderem Ebola und SARS, deren Wirte nach heutigem Wissen Flughunde oder Fledermäuse sind.
Ebola gehört zu den Zoonosen, also zu Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können. Die Virusreservoirs sind vielfältig: Ebola hat sich Flughunde als Wirte ausgesucht, Lassa Nagetiere, MERS Dromedare, SARS gleich mehrere Fledermausarten und Zika Mücken. Krim-Kongo zirkuliert in grasfressenden Weidetieren und wird unter anderem via Zeckenbiss an den Menschen weitergegeben.
Bei neuen Viren ist das Immunsystem zunächst machtlos
Die Wirtstiere sind für die Viren überlebenswichtig, denn sie selbst haben keinen Stoffwechsel. Viren bestehen nur aus einer Proteinkapsel sowie Erbsubstanz. Um sich vermehren zu können, benötigen sie ein anderes Lebewesen. Zwar leben sie auf dessen Kosten, bringen es aber meistens nicht um, denn im Laufe der Evolution haben sie sich gut mit ihm arrangiert. Auf eine andere Spezies wechseln Viren deshalb nur im Notfall. „Dass sie vom Tier auf den Menschen überspringen, ist schon wegen der Speziesbarriere ein seltenes Ereignis. Aber wenn es passiert, und sie dann auch noch von Mensch zu Mensch weiter übertragen werden, haben wir ein Problem", sagt Becker. Dringt ein neues Virus in den menschlichen Körper ein, ist das Immunsystem machtlos. Denn es verfügt nicht, beziehungsweise noch nicht, über Antikörper zur Abwehr. Durch Impfung mit dem abgeschwächten oder abgetöteten Virus oder einem sogenannten viralen Vektor, der Teile des Virusgenoms enthält, wird das Immunsystem angeregt, eben diese Antikörper zu produzieren.
Einen Impfstoff bis zur Marktreife zu entwickeln, ist jedoch ein langwieriger Prozess. Gerd Sutter weiß das aus eigener Erfahrung. Er forschte zuvor am Paul-Ehrlich-Institut, der Zulassungsbehörde für Impfstoffe in Deutschland. „Fünf bis zehn Jahre sind auch heute noch das Minimum", erklärt er. Erst nachdem die Vakzine am Tier, dann an gesunden Menschen sowie später an Infektionsgefährdeten getestet wurde und dabei ihre Sicherheit und Wirksamkeit bewiesen hat, kann die Zulassung beantragt werden. „Um den Prozess zu beschleunigen, nutzen wir am DZIF Plattformtechnologien und entwickeln standardisierte Verfahren", sagt Gerd Sutter.
Virusgenom blitzschnell entschlüsseln
Mithilfe des sogenannten Next Generation Sequencing lässt sich ein Virusgenom heute blitzschnell entschlüsseln. „Wir suchen nach Gensequenzen, die für Proteine codieren, welche als Ziele für die Immunantwort des Menschen infrage kommen", erklärt Stephan Becker. „Für einen Impfstoff wird so eine Sequenz in das Erbgut eines Virustyps eingesetzt, der dem Menschen nicht gefährlich werden kann." Etwa in ein rekombinantes Masernvirus. Oder, wie im Fall von Ebola, in das vesikuläre Stomatitis-Virus, das nur Huftiere krankmacht. Fertig ist die Lebendvakzine.
Wann und wo die nächste Epidemie oder gar Pandemie entsteht, ist nicht vorhersehbar. Sicher ist nur eines: Sie wird kommen. „Um nicht immer wieder zu spät zu sein hilft es nur, schon vorausschauend Impfstoffe gegen hochpathogene Viren zu entwickeln", betont Gerd Sutter. Dazu seien enorme finanzielle Mittel notwendig und auf die Pharmaindustrie könne man als Unterstützer kaum zählen. 2006 schlossen sich deshalb die EU-Kommission, Länder wie Norwegen, Deutschland, Japan und Kanada, Forschungseinrichtungen wie das DZIF, Impfstoffhersteller und private Geldgeber wie die Bill & Melinda Gates Stiftung und der Wellcome Trust zur Coalition for Epidemic Prepardness Innovations (CEPI) zusammen.