Der Blick in den Darm rettet Leben
Text: DKTK – Kathrin Schwarze-Reiter
Viele Menschen scheuen sich vor der Darmkrebsvorsorge. Dabei werden die Untersuchungen heute so angenehm wie möglich gemacht. Wie oft und wann man sie wahrnehmen sollte, hängt unter anderem von Faktoren wie der Lebensweise und der genetischen Vorbelastung ab. Mit seiner Forschung zum Thema will das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) eine zuverlässigere, personalisierte Vorsorge möglich machen und alternative Vorsorgetests entwickeln.
Wenn er früh erkannt wird, ist Darmkrebs fast immer heilbar. „Er ist eine vermeidbare Erkrankung, denn er entwickelt sich in der Regel langsam über viele Jahre hinweg. Diese Zeit muss man nutzen", sagt Herrmann Brenner. Der Professor leitet die Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Er empfiehlt, das Angebot der Vorsorge durch eine Darmspiegelung zu nutzen, denn diese sogenannte Koloskopie kann Darmkrebs und seine Vorstufen, sogenannte Adenome, sehr zuverlässig aufdecken.
Entfernung senkt Erkrankungsrisiko
Bei der endoskopischen Untersuchung können Adenome in der Regel auch gleich entfernt werden – und sich gar nicht erst zu einem Tumor weiterentwickeln. „Wurden Vorstufen von Krebs entdeckt und entfernt, ist in den folgenden Jahren die Wahrscheinlichkeit, Darmkrebs zu entwickeln, sehr gering. Je nach Größe und Eigenschaften der Adenome ist eine Kontroll-Koloskopie nach drei bis zehn Jahren sinnvoll. Wenn der Befund der Spiegelung unauffällig ist, ist eine Wiederholung in der Regel frühestens nach zehn Jahren erforderlich, denn während dieser Zeit ist das Darmkrebsrisiko für Teilnehmer ohne auffällige Befunde sehr niedrig." So lautet eines der Ergebnisse von DACHS, einer groß angelegten, vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) mitfinanzierten Studie, für die Brenner und sein Team mehr als 10.000 Darmkrebspatienten sowie gesunde Kontrollpersonen in der Region Heidelberg befragt haben.
DARMKREBS IST EINE VERMEIDBARE ERKRANKUNG:
ER ENTWICKELT SICH LANGSAM UND PER DARMSPIEGELUNG KANN MAN AUCH VORSTUFEN SEHR ZUVERLÄSSIG AUFDECKEN.
„Ein weiteres Ziel unserer Forschung ist es, nichtinvasive Biomarker zur Risiko- bewertung zu ermitteln, die in Zukunft eine individuelle Darmkrebsvorsorge ermöglichen", so Brenner. Daten werden verknüpft, um ein persönliches Risikoprofil zu erstellen – familiäre und genetische Vorbelastung genauso wie Daten zum Mikrobiom im Darm. „Bestimmten Risikogruppen können wir dann empfehlen, bereits in jüngerem Alter zur Vorsorge zu gehen, während für andere ein ‚Einstieg' in höherem Alter durchaus ausreichend sein kann."
Das individuelle Risiko hängt von mehreren Faktoren ab: Mit höherer Wahrscheinlichkeit erkranken beispielsweise Menschen mit einer familiären Vorbelastung, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder Typ-2-Diabetes an Darmkrebs. Auch ungünstige Ernährungsgewohnheiten und ein ungesunder Lebensstil fördern die Erkrankung. Die Lebensweise kann zum familiären Risiko beitragen: Neben der genetischen Veranlagung, die Eltern ihren Kindern vererben, leben sie ihnen auch vor, ob man als Erwachsener regelmäßig Sport treibt, Zucker und Zigaretten meidet – oder eben nicht. Der Nachwuchs übernimmt diese Verhaltensweisen oft unbewusst.
DIE ENTSTEHUNG VON DARMKREBS HÄNGT VON VIELEN VERSCHIEDENEN FAKTOREN AB – NICHT ALLE KÖNNEN WIR DIREKT BEEINFLUSSEN
Darmbakterien haben Einfluss auf Entstehung von Tumoren.
Wie stark all diese Faktoren jeweils wirken, soll unter anderem durch die Analyse von Daten aus der größten deutschen Darmkrebsstudie möglich werden, die an den DKTK-Standorten in Heidelberg, München, Tübingen und Dresden durchgeführt wird. Denn erst, wenn man sehr viele Daten zusammenbringt, ermöglicht das ein zuverlässiges individuelles Profil. Hier wurden 160.000 Personen im Alter zwischen 40 und 54 Jahren nach dem Zufallsprinzip aus den lokalen Einwohnermeldedaten an den Partner-Standorten des DKTK angeschrieben und befragt. Solch hohe Zahlen können die Zentren nur in enger Zusammenarbeit untereinander ermöglichen. Gleichzeitig sind sie nötig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
SENSITIVERE STUHLTESTS MACHEN DIE VORSORGE NOCH EINFACHER UND ZUVERLÄSSIGER.
„Personen mit einem familiären Risiko luden wir zu einem Beratungsgespräch ein und boten ihnen eine Koloskopie an", erklärt Enrico De Toni von der Medizinischen Klinik und Poliklinik 2 am Klinikum der Universität München. Von etwa 2.700 eingeladenen Teilnehmern kamen mehr als 1.200 Personen zu den Untersuchungen. Anhand der Blut- und Stuhlproben, die den Probanden entnommen wurden, analysierten die Wissenschaftler nicht nur die genetische Veranlagung, sondern auch weitere Biomarker, die ein erhöhtes Risiko anzeigen, sowie die Darmflora der Patienten. Denn jüngste Erkenntnisse belegen, dass auch unsere Darmbakterien einen entscheidenden Einfluss auf die Tumorentstehung haben können.