SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG
Spätfolgen des Diabetes können viele Bereiche des Körpers betreffen.

Der Subtyp bestimmt die Schwere der Erkrankung

Diabetes ist nicht gleich Diabetes. Aktuelle Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zeigen, dass es verschiedene Untertypen der Stoffwechselerkrankung gibt. Je nachdem, an welchem Subtyp ein Patient leidet, hat er ein unterschiedlich hohes Risiko für Folgeerkrankungen wie Fettleber und Schädigungen der Augen, Nerven oder Nieren.
Die ersten Anzeichen für die Zuckerkrankheit werden oft verkannt: Man fühlt sich vermeintlich grundlos matt, ist weniger leistungsfähig und neigt zu Infektionen. Im weiteren Verlauf kommen zusätzliche Beschwerden wie starkes Kribbeln und Sehstörungen oder Durstgefühl und Harndrang hinzu. Den entscheidenden Beweis bringt schließlich ein Bluttest. Falls der Blutzuckerwert eine bestimmte Schwelle überschreitet, lautet die Diagnose: Diabetes mellitus.

Deutliche Unterschiede im Verlauf

Gehirn
Diabetes-Patienten haben ein höheres Schlaganfall-Risiko.
Was bedeutet das für die Betroffenen? „Das kommt darauf an, um welchen Typ von Diabetes es sich handelt", erklärt Oana-Patricia Zaharia, Ärztin und Forscherin im Studienzentrum des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) an der Universität Düsseldorf, einem Partner des DZD. „Bisher unterscheidet man vor allem zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2. Aktuelle Studien zeigen aber, dass sich diese zwei Typen in insgesamt fünf Subtypen oder Cluster einteilen lassen, die sich in ihrem Krankheitsverlauf und den damit einhergehenden Folgeerkrankungen jeweils deutlich unterscheiden."
BISHER UNTERSCHEIDET MAN VOR ALLEM ZWISCHEN DIABETES TYP 1 UND TYP 2. AKTUELLE STUDIEN ZEIGEN ABER, DASS SICH DIESE ZWEI TYPEN IN INSGESAMT FÜNF SUBTYPEN ODER CLUSTER EINTEILEN LASSEN.
Damit fasst die Ärztin die wichtigste Erkenntnis einer Studie zusammen, die sie gemeinsam mit 26 Forschenden aus Deutschland und Schweden in der angesehenen Fachzeitschrift „The Lancet Diabetes and Endocrinology" veröffentlicht hat.

Dass die herkömmliche Unterscheidung in nur zwei häufige Diabetes- Typen die vielfältigen Ursachen und Auswirkungen eines gestörten Glukosestoffwechsels nicht angemessen widerspiegelt, war in der Fachwelt schon seit Längerem vermutet worden.

„Unsere schwedischen Kollegen haben die Subtypen identifiziert und wir haben dann das mathematische Verfahren, das dieser Einteilung zugrunde liegt, auch auf Teilnehmer der Deutschen Diabetes-Studie angewandt", berichtet Oana-Patricia Zaharia. „Dabei konnten wir bestätigen, dass es diese verschiedenen Untergruppen gibt."
Hände und Füße
Insulinmangelbetonter Diabetes kann das Schmerzempfinden an Händen und Füßen stören.

Betroffene Organe im Fokus

Die Deutsche Diabetes Studie (German Diabetes Study, GDS) ist eine Multicenter-Studie des DZD. Sie wurde 2009 gestartet, um die Entwicklung von Diabetes bei Betroffenen über einen langen Zeitraum zu verfolgen.

Um möglichst viele Daten von Betroffenen zu erhalten, beteiligen sich unter Federführung des DDZ acht Institute des DZD aus ganz Deutschland an der Langzeitstudie. Die Probanden unterziehen sich anfangs – und danach alle fünf Jahre wieder – einer gründlichen medizinischen Untersuchung.

Im Fokus stehen dabei besonders jene Organe, die von diabetischen Folgeerkrankungen betroffen sein können: Die Leber wird mittels bildgebender Verfahren auf ihren Fettgehalt und mögliche Vernarbungen untersucht. Eine Spezialkamera fertigt Fotografien vom Augenhintergrund an, die charakteristische Schädigungen der Netzhaut sichtbar machen. Hände und Füße werden daraufhin getestet, wie empfindlich sie auf Vibrationen oder Wärme und Kälte reagieren und wie schnell ihre Nerven dies wahrnehmen.

Die Untersuchungen nehmen drei Tage in Anspruch. Dazu kommt eine Reihe von Tests, die bedeutende Rückschlüsse auf den Allgemeinzustand der Probanden zulassen: Blutproben werden im Labor auf genetische Elemente, Glukose, Insulin, bestimmte Antikörper und weitere Biomarker untersucht. Auch der Body-Mass-Index, das Alter der Probanden sowie ihre Ernährungsgewohnheiten werden einbezogen.
Augen
Patienten mit schwerem insulindefizitären Diabetes sind häufig von Schäden an der Netzhaut betroffen.
Die Forscher werteten die Daten von insgesamt 1.105 Teilnehmern der GDS aus, von denen knapp ein Drittel bereits zweimal im Abstand von fünf Jahren untersucht worden war. Mithilfe der in Schweden erprobten Analysemethode suchten sie in dem umfangreichen Datensatz nach auffälligen Mustern und Gesetzmäßigkeiten.
„Besonders wichtig ist, dass diese Subtypen ein unterschiedliches Risiko für Folgen des Diabetes aufweisen, was in der Zukunft eine präzisere Behandlung der Betroffenen ermöglichen könnte", betont Professor Michael Roden, Vorstand des DZD, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Deutschen Diabetes-Zentrums und Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
DIE FORSCHER ENTDECKTEN IN DEN DATEN AUFFÄLLIGE MUSTER.

Unterschiedlich schwere Krankheitsverläufe

Zwei dieser neuen Subtypen zeichnen sich durch weniger schwere Krankheitsverläufe aus: der milde adipositasbedingte Diabetes und der milde altersbedingte Diabetes. Die drei übrigen Subtypen gehen mit einem hohen Risiko von Folgeschäden einher:

Patienten mit schwerem insulinresistenten Diabetes haben vermutlich ein höheres Risiko für Erkrankungen der Leber und Nieren, während jene mit einem schweren insulindefizitären Diabetes eher an Netzhautschäden und einem gestörten Schmerzempfinden wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl an Händen und Füßen leiden. Der dritte Subtyp mit häufigen Komplikationen ist der schwere autoimmune Diabetes, der dem klassischen Typ-1-Diabetes entspricht.
Leber
Schwerer insulinresistenter Diabetes verursacht verstärkt Erkrankungen der Leber.
Herz
Die hohe Blutzuckerkonzentration kann Blutgefäße schädigen und zu Herzinfarkten führen.
Schon heute profitieren die Teilnehmer der Deutschen Diabetes Studie von den Erkenntnissen: Sie wissen mehr über ihre Erkrankung und über das Risiko von Folgeerkrankungen. Dasselbe gelte auch für die behandelnden Mediziner, erklärt Zaharia: „Mit diesem zusätzlichen Wissen kann man Risikopatienten intensiver betreuen. Der Hausarzt kann dann beispielsweise gezielt die Nierenwerte einer Patientin öfter kontrollieren und die derzeit verfügbaren Behandlungsoptionen besser ausnutzen."
DER HAUSARZT KANN DANN BEISPIELSWEISE GEZIELT DIE NIERENWERTE SEINER PATIENTEN ÖFTER KONTROLLIEREN UND DIE DERZEIT VERFÜGBAREN BEHANDLUNGSOPTIONEN BESSER AUSNUTZEN.
Trotz der neuen Erkenntnisse werden die Leitlinien für die Diabetes-Diagnose nicht sofort geändert werden, erklärt Prof. Roden: „So interessant und zukunftsweisend diese Einteilung in Subtypen ist, so bedarf es doch weiterer Studien in anderen Patientengruppen und zur Beurteilung von Therapieerfolgen." Daran arbeitet das DZD: Derzeit werden neue Studien vorbereitet, in denen unter anderem Therapien untersucht werden, die auf die einzelnen Untergruppen abgestimmt werden. Ziel ist es, künftig durch eine präzisere Diagnose zu erkennen, an welchem Subtyp ein Diabetes-Patient leidet, und mit der dafür zugeschnittenen Therapie Folgeerkrankungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Weitere Informationen unter:
www.deutsche-diabetes-studie.de
Nieren
Die Nieren leiden besonders bei Patienten, bei denen der Diabetes mit schwerer Insulinresistenz einhergeht.

ICH WAR SO ERLEICHTERT, ALS ICH DAS ERFAHREN HABE!

Cornelia Bühl ist Probandin der Deutschen Diabetes Studie. Dort bekam sie eine sehr genaue Diagnose, die sie beruhigt nach Hause gehen ließ
Frau Bühl, Sie nehmen als freiwillige Probandin an der Deutschen Diabetes Studie teil. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Für die Studie werden Teilnehmer gesucht, die erst vor höchstens einem Jahr von ihrer Zuckerkrankheit erfahren haben. Das traf auf mich zu, deshalb fühlte ich mich angesprochen.
Wie haben Sie auf die Diagnose Diabetes reagiert?
Das war erst mal ein Schock. Ich hatte direkt meinen Vater vor Augen: Der hat erst sehr spät von seiner Zuckerkrankheit erfahren und lebte wohl mehrere Jahrzehnte lang damit, ohne es zu wissen. Da hatte er schon Probleme mit den Augen, die Haut entzündete sich schnell und heilte dann schlecht, am Ende musste sogar ein Zeh amputiert werden. Dies waren alles Begleiterscheinungen seiner Zuckerkrankheit.
Was hat sich für Sie geändert, seit Sie von Ihrer Erkrankung wissen?
Ich koche sehr gerne und esse weiterhin, was mir schmeckt. Allerdings lasse ich seit der Diagnose konsequent alles weg, was mir schadet. Mein Brot backe ich selbst, mit Magerquark statt Weißmehl, und für unterwegs habe ich Roggen-Knäckebrot dabei. Statt Kuchen esse ich zum Beispiel lieber ein Stück Melone. Es gibt für alles Alternativen. Und ich treibe mehr Sport: Dreimal die Woche ist Zirkeltraining im Fitnessstudio angesagt. Meine Zuckerwerte sind jetzt wieder so niedrig, dass ich keine Medikamente brauche.
An der Studie teilzunehmen bedeutet Aufwand – hat der sich gelohnt?
Auf jeden Fall! Das ist ja ein Gesundheits-Check, der weit über den Diabetes hinausgeht. Ich weiß jetzt, dass ich eine geringfügige Insulinresistenz habe. Wenn ich konsequent meine Ernährung danach ausrichte, dann verschlimmert sich das nicht. Und ansonsten bin ich kerngesund! Mit dieser Gewissheit konnte ich beruhigt nach Hause gehen. Ich war so erleichtert, als ich das erfahren habe!
Was versprechen Sie sich von der weiteren Teilnahme an dieser Langzeitstudie?
Ich möchte doch wissen, wie sich mein Diabetes über die Jahre entwickelt – ob alles so bleibt oder sich etwas verschlechtert. Außerdem sind die Wissenschaftler für ihre Forschung auf Patienten wie mich angewiesen: Nur so können neue Behandlungsmethoden oder gar Heilmittel gefunden werden.
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