SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG
Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung von Infektionskrankheiten.

Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung entwickeln Forscher neue Tests, die in kürzester Zeit zeigen, ob ein multiresistenter Erreger vorliegt.

Schnell wissen, was noch wirkt

Die einst so glorreichen Waffen gegen Infektionskrankheiten sind stumpf geworden: Immer mehr Keime lassen sich kaum oder gar nicht mehr mit Antibiotika behandeln. Der großzügige Einsatz in der Nutztierzucht und die häufig immer noch laxe Verschreibungspraxis durch Ärzte haben die Situation verschärft. Während die Besiedelung für Gesunde in vielen Fällen harmlos ist und unbemerkt bleibt, kann sie für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, für Neugeborene, chronisch Kranke und ältere Patienten tödlich ausgehen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts erkranken in Europa pro Jahr rund 670.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien – 33.000 sterben daran.

2017 gab die WHO eine Liste mit zwölf multiresistenten Pathogenen heraus, für die dringend neue Wirkstoffe benötigt werden. Höchste Priorität haben Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und Enterobakterien wie etwa Klebsiella pneumoniae oder Escherichia coli. Denn diese Erreger sind zunehmend resistent gegen Carbapeneme, eine Gruppe von ß-Lactam- Antibiotika, die eigentlich die entscheidende Reserve für den Notfall sein sollen.

Im Forschungsbereich „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien" des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln Wissenschaftler neue Strategien zur Kontrolle der Ausbreitung von Infektionen. Dabei liegt ein Fokus auf rascher und präziser Diagnostik. Denn schnell zu wissen, was (noch) wirkt, kann Leben retten.

Einfach wie ein Schwangerschaftstest

Carbapenem-resistente A. baumannii sind weltweit auf dem Vormarsch. Der Erreger löst schwere Lungenentzündungen aus, vor allem bei beatmeten Patienten auf Intensivstationen.

Nun gibt es den ersten Schnelltest. Alexander Klimka, Sonja Mertins und Paul Higgins von der Uniklinik Köln haben ihn gemeinsam mit der belgischen Firma Coris BioConcept entwickelt. „Mit dem Test wird die Carbapenemase OXA-23 detektiert – also das Enzym, das in 80 Prozent aller multiresistenten A. baumannii-Stämme weltweit das Antibiotikum unwirksam macht", erklärt der Immunologe Klimka.
Das Forscherteam entwickelte mithilfe von Antikörpern, welche von den Milzzellen von Mäusen gebildet werden, ein Testsystem, das das Enzym OXA-23 in nicht einmal 15 Minuten nachweist und so simpel wie ein Schwangerschaftstest funktioniert: „Das Bakterienisolat des Patienten wird in eine Lösung gegeben und ein Tropfen davon auf den Teststreifen, auf dem ein OXA-23-Antikörper fixiert ist.

Ein weiterer OXA-23-Antikörper mit einem Farbstoff muss ebenfalls binden", erklärt Klimka. „Befindet sich das Enzym in der Patientenprobe, entsteht ein Farbstrich und der behandelnde Arzt weiß sofort: Er muss zur allerletzten Reserve greifen – zu Colistin oder Tigecyclin – und Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Keims in der Station einleiten."
DIE VISION:
INNERHALB VON 15 MINUTEN DIE IDEALE THERAPIE
EINLEITEN KÖNNEN
Die Ärzte haben das Ergebnis nun bis zu 48 Stunden früher vorliegen als bei bisherigen Resistenztests. Limitierender Faktor ist jedoch noch die Vorkultur: Der Erreger muss auch für den neuen Test erst rund acht Stunden angezüchtet werden. Geplant ist, die Untersuchungsmethode so zu verfeinern, dass bald Blut oder Wundsekret des Patienten direkt am Krankenbett analysiert werden können.

In der Arbeitsgruppe von Axel Hamprecht, Professor für Mikrobiologie der Universität Oldenburg und Spezialist für Antibiotikaresistenzen, wurde ein entsprechender Blutkultur-Test gegen Enterobakterien entwickelt. Mit dem Test werden die vier wichtigsten Carbapenemasen von Enterobakterien detektiert: OXA-48, KP89C, NDM und VIM.

Test könnte Versorgung in Krisenregionen und Flüchtlingslagern erleichtern

„Bei Klebsiella pneumoniae, das schwere Pneumonien, Harnwegsinfekte oder sogar Sepsis auslösen kann, ist der Resistenznachweis komplizierter, denn er wird nicht nur durch die klassischen Carbapenemasen vermittelt", erklärt Alexander Klimka. „Wir sind dabei, einen Nachweis für diese Fälle zu entwickeln. Wenn wir dann in hoffentlich nicht allzu weiter Ferne innerhalb von 15 Minuten die ideale Therapie einleiten könnten, wäre das der Durchbruch!" Es würde beispielsweise auch die medizinische Versorgung in Krisenregionen und Flüchtlingslagern erleichtern.
Doch das ist noch Zukunftsmusik. In Reichweite für das Kölner Team ist dagegen ein Triplett-OXA-Test. „Damit würden wir über 95 Prozent aller weltweit auftretenden resistenten A. baumannii-Stämme erkennen", erklärt Sonja Mertins. Der Nachweis von Vancomycin-resistenten Enterokokken, die in der Regel den Darm besiedeln, sind ein weiteres Forschungsthema. Neben neuen Möglichkeiten zur schnelleren Diagnostik suchen die Wissenschaftler im DZIF auch mit Hochdruck neue Wirkstoffe gegen Infektionen – und bekämpfen die Antibiotikaresistenzen so mit verschiedenen Strategien.
MULTIRESISTENTE ERREGER WERDEN OFTMALS IN KLINIKEN ÜBERTRAGEN ODER VON REISEN MITGEBRACHT.

Vielfältige Infektionswege

Zu Infektionen mit multiresistenten Erregern kommt es häufig in Kliniken. Die Keime werden dort oft vom Personal übertragen, zum Beispiel über nachlässig desinfizierte Hände und medizinische Geräte.

„Zimmer, in denen zuvor ein Patient mit unerkanntem Erreger lag, sind ebenfalls eine Infektionsquelle, denn die hartnäckigen Keime überleben auf Türklinken, WC-Deckeln, Waschbecken und anderen Oberflächen", sagt Axel Hamprecht. „Doch längst nicht jeder fängt sich den Erreger im Krankenhaus ein.

Die Keime können unter anderem auch über Nahrungsmittel in den Körper gelangen, was für Hühner- und Schweinefleisch bereits nachgewiesen wurde. Sogar der Futternapf eines Hundes kann gefährlich werden: In jedem zweiten Rohfleisch-Futter fanden Forscher der Uni Zürich kürzlich multiresistente Keime.

Häufig würden die Bakterien auch als „Reisesouvenir" mitgebracht, sagt Hamprecht. „Wer zum Beispiel längere Zeit in Indien verbringt, hat eine circa 80-prozentige Chance auf ein solches Mitbringsel, aber auch in vielen Ländern Asiens und in Südeuropa kann man sie erwerben." In Zeiten zunehmender Multiresistenzen sind bewährte Urlaubsregeln wichtiger denn je: Waschen Sie sich regelmäßig sorgfältig die Hände, trinken Sie Wasser nur aus Flaschen und vor allem „Cook it, peel it or forget it!" – „Koch es, schäl es oder lass die Finger davon!". Sicher verhindern lässt sich eine Infektion damit aber nicht.

DER PATIENT ERHÄLT SCHNELLER DIE EFFEKTIVSTE BEHANDLUNG.

Eine besondere Herausforderung sind Antibiotikaresistenzen bei Infektionen, die ohnehin eine langwierige Therapie erfordern, wie zum Beispiel bei der Tuberkulose (TB). Zur schnellen und exakten Diagnostik setzt der DZIF-Wissenschaftler Stefan Niemann, Professor am Leibniz-Lungenzentrum in Borstel, auf Genomsequenzierung.
Herr Niemann, wie weit sind die multiresistenten Stämme bereits verbreitet?
Jährlich gibt es etwa zehn Millionen TB-Neuerkrankungen weltweit. Die WHO schätzt, dass bei mehr als 500.000 Betroffenen die Erreger resistent sind gegen Rifampicin und weitere der wichtigsten Antibiotika. In manchen Regionen der Erde liegt die Rate multiresistenter (MDR) Stämme bereits bei 10 bis 20 Prozent, in Teilen Osteuropas sollen es sogar fast 50 Prozent sein. Unsere Studien in Osteuropa ergaben, dass viele der dort gefundenen Stämme bereits 4MDR-TB sind – also resistent gegenüber allen vier Antibiotika!
Der klassische Resistenztest bei Tuberkulose ist wachstumsbasiert und dauert drei bis vier Wochen. Sie präferieren die Genomsequenzierung. Welche Vorteile bietet sie?
Sie offenbart mehr Informationen über die Erkrankung. Außerdem benötigen wir damit für Anzucht, Sequenzierung und bioinformatische Analyse nur noch ein bis zwei Wochen. Der Patient erhält also schneller die effektivste Behandlung.
Warum dauert der herkömmliche Resistenztest so lange und ist so ungenau?
Während sich ein E. coli innerhalb von 20 Minuten teilt, liegt die Generationszeit von M. tuberculosis bei 20 Stunden! Jede auf Wachstum basierte klassische Resistenzdiagnostik dauert dann also relativ lange. Außerdem stehen für mehrere der mehr als zehn für die Therapie eingesetzten Medikamente keine oder nur unzureichende Verfahren zur Verfügung.
Antibiotika werden bei bakteriellen Infektionen meist nur für sieben bis 14 Tage verordnet. Warum dauert die Therapie bei einer Lungentuberkulose etliche Monate?
Bei kürzerer Behandlung kommt es oft innerhalb eines Jahres zu Rückfällen. Der Erreger besitzt vermutlich eine latente Form, die nicht so leicht abzutöten ist. Deshalb wurde die Mindesttherapiedauer einer sensiblen Tuberkulose auf sechs Monate festgelegt und die einer resistenten auf mindestens neun. Letztere kann aber bis zu 18 Monate benötigen. Wir wissen zudem aus Studien, dass man nach einer ausgeheilten Tuberkulose nicht vor einer Neuinfektion mit gleichen oder ähnlichen Stämmen geschützt ist, weil der Körper keine schützende Immunität aufbauen kann.
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