SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG

Diagnose: Die Krankheit erkennen

Schneller, sicherer und weniger invasiv: Die Forscher der DZG arbeiten auch an einer immer besseren Diagnostik der Volkskrankheiten. Hier antworten einige von ihnen auf Patientenfragen.
Bei Erkrankungen von Herz und Gefäßen gilt: je eher man davon weiß, desto besser. Mit vorbeugenden Maßnahmen kann man das Vollbild der Erkrankung verhindern oder hinauszögern. Ein gutes Beispiel ist die diastolische Herzinsuffizienz, eine spezielle Form der Herzschwäche, die sich unter anderem durch Luftnot bemerkbar macht und von der in Deutschland rund eine Million Menschen betroffen sind. Für die DCM gibt es keine spezifische Therapie, aber man kann die Risikofaktoren – vor allem Bluthochdruck, Diabetes und körperliche Inaktivität – präventiv senken.
Das kann das Fortschreiten der Krankheit erheblich verlangsamen. Ein weiteres Beispiel ist das Bauchaortenaneurysma, wofür es für Männer ab 65 Jahren ein Screening gibt. Wird ein solches Aneurysma festgestellt, kann man es zwar nicht behandeln, aber engmaschig überwachen. Erst wenn es eine bestimmte Größe erreicht, ist die Gefahr einer Ruptur zu groß und es muss operiert werden.
Prof. Gerd Hasenfuß,
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)

Was nützt eine Diagnose bei Erkrankungen, für die es keine Therapien gibt?

Bei einer Demenz ist eine diagnostische Abklärung aus diversen Gründen wichtig. Denn es gibt unterschiedliche Ursachen für eine Demenzerkrankung, die auch unterschiedlichen Therapien zugänglich sind. Diese Therapien können die Demenz zwar nicht heilen, jedoch helfen, die Symptome zu lindern. So gibt es für Alzheimer, die häufigste Demenzerkrankung im höheren Lebensalter, Medikamente, die zumindest einen zeitlich begrenzten Nutzen auf die Gedächtnisleistung und Alltagsfunktionen haben.

Liegen die Ursachen der Demenz in Durchblutungsstörungen, so gibt es auch hier Möglichkeiten, die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Eine Diagnose kann darüber hinaus eine Entlastung für die Patienten und ihre Angehörigen bedeuten. Sie schafft Klarheit über mitunter unerklärliche Verhaltensweisen und gibt die Chance, die Zukunft zu planen.

Eine möglichst exakte Diagnose ist außerdem notwendig für klinische Therapiestudien – also im Forschungsumfeld. Nur so lassen sich neue Medikamente zielgerichtet testen und somit neue Therapien entwickeln.
Prof. Dr. Anja Schneider,
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Wird Künstliche Intelligenz bald die zuverlässigeren Diagnosen stellen?

Künstliche Intelligenz wird Ärzte in der Zukunft bei der Diagnose immer stärker unterstützen. Heute gelingt dies beispielsweise schon bei der Auswertung medizinischer Bilder wie Röntgen, CT- und MRT-Aufnahmen. Die intelligenten, selbstlernenden Systeme können mit Tausenden Aufnahmen einschließlich der dazugehörigen Befunde trainiert werden und lernen, krankhafte Veränderungen zu erkennen.

Besonders weit sind zum Beispiel Systeme zur Erkennung der Diabetischen Retinopathie, die Schäden in den feinen Blutgefäßen der Netzhaut verursacht. Diese Folgeerkrankung des Diabetes ist in Industrieländern eine der Hauptursachen für Erblindungen im mittleren Lebensalter. Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, kann man durch eine gezielte Behandlung weiteren Schädigungen der Netzhaut vorbeugen.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Martin Hrabe de Angelis,
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
In der Demenzforschung und auch in der klinischen Praxis müssen viele medizinische Daten berücksichtigt werden. Unter anderem Hirnscans, Biomarker- Befunde, genetische Risiken, kognitive Defizite und Lebensstilfaktoren. Intelligente Algorithmen sind in der Lage, in diesen komplexen Daten Muster aufzuspüren. Muster, die helfen können, eine Erkrankung frühzeitig zu erkennen und ihren Verlauf individuell und möglichst zuverlässig vorherzusagen.

Insofern ist das Potenzial künstlicher Intelligenz enorm. Doch bis zum breiten Einsatz in der Praxis ist weitere Forschung nötig, außerdem sind noch ethische und rechtliche Fragen zu klären.
Prof. Dr. Emrah Düzel,
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Einige Krankheiten entwickeln sich über Jahre hinweg und zeigen dabei lange keine Symptome. Sollte man sich trotzdem früh darauf untersuchen lassen?
Am Beispiel der Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt, lässt sich diese Frage gut mit „Ja" beantworten. Auch wenn einige Patienten in den ersten Lebensjahren keine ausgeprägten oder nur wenige Symptome zeigen, kann man mit moderner Diagnostik über schnittbildgebende Verfahren (CT, MRT) oder auch spezielle Lungenfunktionsdiagnostik bei Risikopatienten Lungenveränderungen früh nachweisen – bevor klinische Beschwerden auftreten.
Mithilfe geeigneter Therapien könnte man so bereits in einem frühen Stadium der Krankheit in deren Verlauf eingreifen. Das ist zum Beispiel mit einer mukolytischen Inhalationstherapie möglich. Eine umfangreiche Studie (PRESIS) hat gezeigt, wie effektiv diese ist: Säuglinge mit CF, die im ersten Lebensjahr regelmäßig mit sechsprozentiger hypertoner Kochsalzlösung inhalierten, behielten eine bessere Lungenfunktion.
PD Dr. med. Mirjam Stahl,
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)

Werden neue Diagnosemethoden wie zum beispiel Bluttests bald die Entnahme von Gewebeproben überflüssig machen?

Weniger invasive Diagnosewege werden intensiv erforscht und können die bisherigen Methoden gut ergänzen und in Zukunft teilweise auch ersetzen. Beim Lungenkrebs zum Beispiel, einer sehr häufigen wie tödlichen Krebsart, entwickeln Forscher einen Atemtest.

Denn das sogenannte Exhalat, aufgefangene Flüssigkeitströpfchen der Atemwege, enthält bereits in frühen Stadien der Erkrankung kleinste Hinweise in den Genen, über welche sich Lungenkrebszellen nachweisen lassen. Hierdurch könnte eine Frühdiagnostik des Lungenkrebses gelingen, welche dann mit verbesserten Behandlungsmöglichkeiten und einer günstigeren Prognose verbunden wäre.
Prof. Dr. Werner Seeger,
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
Bei einigen Tumorarten wie dem Lungen- oder Brustkrebs werden zukünftig Biomarker aus dem Blut für die klinische Praxis an Bedeutung gewinnen, zum Beispiel, um den Behandlungsverlauf einer Therapie zu überwachen und die Erfolg versprechendste Therapie zu empfehlen.

Das gilt insbesondere für Patienten, bei denen eine Entnahme von Gewebe gar nicht möglich ist. Die Untersuchung von Gewebe wird jedoch die wichtigste Methode in der Tumordiagnostik bleiben. Eine Erstdiagnose von Krebs mit Bluttests ist in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.
Prof. Holger Sültmann,
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK)

Wenn zuvor unbekannte Viren ganz neu auftreten, wie werden diese identifiziert?

Neu auftretende Viren erstmals zu erkennen, ist immer sehr schwierig, da die behandelnden Ärzte und Diagnostiker anfänglich nicht wissen, wonach sie suchen sollen. Aufmerksam darauf werden sie häufig durch eine unerklärbare Krankheit oder die Häufung untypischer Symptome, die zunächst einmal erkannt und erfasst werden müssen. Epidemiologische Untersuchungen, also Untersuchungen zur Verbreitung und Häufigkeit in unterschiedlichen Patienten, helfen dabei, den möglichen Ursprung der Erkrankung einzuschränken.
Neue Viren, die Menschen infizieren, stammen oft von Tieren. Aktuelle Beispiele für solche Viren sind die hochpathogenen Vogelgrippe-Viren in Asien, das Kamel-assoziierte MERS-Coronavirus in Arabien oder auch das neue Coronavirus aus Wuhan, das vermutlich aus Fledermäusen stammt.

Um Risiken im Vorfeld zu erkennen, werden daher seit Jahren Viren von verschiedensten Tierarten isoliert und sequenziert. Um den verantwortlichen Krankheitserreger zu erfassen, können darüber hinaus noch weitere Methoden angewendet werden: Man kann zum Beispiel Krankheitserreger in Proben von Patienten mittels Elektronenmikroskopie sichtbar machen oder in Zellkultur anzüchten.

Das Erbgut des Erregers kann mittels klassischer und neuer Sequenziermethoden charakterisiert und mit Sequenzen in der Datenbank verglichen werden. Erst nach der Identifikation und Charakterisierung eines Erregers können zuverlässige Nachweisverfahren dafür entwickelt werden, die dann in allen Laboren einsetzbar sind. Eine solche breit verfügbare Diagnostik ist extrem wichtig, um neue Viren einzudämmen.
Prof. Jan Felix Drexler,
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
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