SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der Deutschen Zentren
der Gesundheitsforschung (DZG)
Professor Dirk Busch ist Infektions­immunologe und er forscht daran, Immunzellen für therapeutische und diagnostische Zwecke nutzbar zu machen. Er ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der TU München und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Sein Forschungsbereich am DZIF heißt „Infektionen im immungeschwächten Wirt“.

Maßgeschneiderte Immunzellen

Vor einer Stammzelltransplantation wird das Immunsystem der Patientinnen und Patienten zerstört. So sind sie Infektionserregern anfangs schutzlos ausgeliefert – auch solchen, die sie bereits unbemerkt in sich tragen. Infektionsimmunologe Dirk Busch erklärt, wie synthetische T-Zellen davor schützen können und welche Rolle die Genschere CRISPR/Cas dabei spielt.
Ob Grippe, Tuberkulose oder SARS-CoV-2: Auch wenn wir mit den unterschiedlichsten Krankheitserregern in Kontakt kommen, wird nicht jeder krank. Denn das Immunsystem hat Komponenten, die es mit fast jedem Keim aufnehmen können.

Sein ganzes Forscherleben arbeitet Dirk Busch bereits daran, diese Immunkomponenten zu analysieren und therapeutisch nutzbar zu machen. T-Zellen, welche die körperfremden Antigene eines Eindringlings aufspüren und dem Immunsystem „melden“, spielen dabei die tragende Rolle. Sie sind Teil der spezifischen Immunantwort und halten normalerweise auch chronisch-latente Viren in Schach, die im Körper „schlummern“, aber keine Symptome verursachen – etwa Herpes simplex oder das Zytomegalie-Virus. Doch wenn das Immunsystem des Trägers, zum Beispiel im Rahmen einer Stammzelltransplantation, vorübergehend quasi ausgelöscht werden muss, können sie gefährlich werden. Für viele Patienten endet das tödlich.
Herr Prof. Busch, wie lässt sich diese Komplikation verhindern?
Wenn der Knochenmarkspender oder die Spenderin ebenfalls Träger der latenten Viren ist, kann man dem Empfänger zusätzlich zu den blutbildenden Stammzellen auch dessen spezifische T-Zellen übertragen. Das funktioniert sehr gut!
Der perfekte Spender hat demnach nicht nur die passenden Gewebemerkmale, sondern er sollte sich auch mit bestimmten Infektionserregern erfolgreich auseinandergesetzt haben?
Ja, genau. Sie werden sogar danach ausgesucht – insbesondere, ob sie sero-positiv bezüglich Herpesviren sind. Denn diese Erregergruppe bereitet den Patienten die größten Probleme.
Aber was, wenn die Spender nicht infiziert sind und somit nicht über diese schützenden Komponenten verfügen?
Dann kann man die T-Zellen gentechnologisch herstellen. Und zwar auf Basis genau passender T-Zellen des Empfängers, sodass es zu keiner Abstoßungsreaktion kommen kann.
Wie ist das möglich?
Wir arbeiten schon sehr lange daran, die Rezeptoren antigenspezifischer T-Zellen zu identifizieren. Das sind in der Zellmembran verankerte Proteinketten, die eine Antigen-erkennende Bindedomäne besitzen. Jede T-Zelle hat nur Rezeptoren für ein bestimmtes Antigen. Um T-Zellen auf eine bestimmte Antigen-Spezifität umzuprogrammieren, nutzten wir anfangs virale Vektoren, um den Bauplan für den neuen Rezeptor in die Zelle zu schleusen. Aber das funktionierte nicht überzeugend. Mit der Genschere CRISPR/Cas haben wir nun ein hochpräzises Werkzeug und können T-Zellen synthetisieren, die von den normalen, physiologischen nicht mehr zu unterscheiden sind.
Wie läuft so eine Umprogrammierung ab?
Man nimmt eine T-Zelle, die ja bereits einen Rezeptor trägt, und bringt die Genschere CRISPR/ Cas zusammen mit einer sogenannten Guide-RNA und dem gewünschten neuen DNA-Abschnitt in sie ein. Das passiert mittels winziger Elektroschocks, um die Zellmembran etwas porös zu machen. Die Guide-RNA sucht den Abschnitt im Erbgut, der für den „alten“ Rezeptor kodiert. Hier setzt die Genschere an, schneidet die DNA auf und mit hoher Präzision lässt sich nun das Genfragment, das für den „neuen“ Rezeptor kodiert, an dieser Stelle einsetzen
Wie stellt man sicher, dass die synthetischen Zellen im Körper des Patienten überleben?
Es gibt unterschiedliche Subtypen von antigenspezifischen T-Zellen. Geeignet für diese Methode sind wenig differenzierte, langlebige Zellen. Es ist eine spezielle Form der T-Gedächtniszellen, die den langfristigen Schutz vor erneuten Infektionen mit demselben Erreger verbessern. Sie sind stammzellartig, vermehren sich also immer wieder und bilden bei Bedarf sehr schnell viele Zellen, die sich an der Bekämpfung von Krankheitserregern beteiligen können. Also zum Beispiel auf Zielzellschädigung spezialisierte CD8-positive T-Zellen, die eine infizierte Zelle abtöten.
Wie viele Zellen werden für eine Therapie benötigt?
Bei der Maus haben wir gesehen, dass eine einzige stammzellartige T-Gedächtniszelle ausreichen kann, um den Immunschutz zu gewährleisten. Weil diese Zellen so ein hohes regeneratives Potenzial besitzen, sind sie extrem wirksam.
Sie nennen synthetische T-Gedächtsniszellen „lebende Medikamente“.
Ja, denn sie sind mit anderen Medikamenten nicht zu vergleichen. Kommt eine Infektion, vermehren und differenzieren sich die synthetischen T-Zellen. Wenn sie ihren Job gemacht haben und die Infektion abgeklungen ist, sterben viele Zellen ab – aber nicht die langlebigen Gedächtniszellen.
Und wie lange überleben so reprogrammierte T-Zellen im Körper?
Es war bisher schwierig zu zeigen, dass langlebige T-Gedächtnisstammzellen überhaupt sterben können! Wir denken, dass sie im Grunde lebenslang aktiv bleiben. Manche Kollegen vermuten, dass die Zahl der Zellteilungen, die eine Zelle insgesamt durchmachen kann, limitiert ist. Aber das scheint in einem Bereich zu liegen, der mit der Länge eines normalen Menschenlebens gut vereinbar ist.
Synthetische T-Zellen wären dann ja die perfekten Impfstoffe?
Es sind die perfekten Impfstoffe! Das ist im Moment zwar noch Science Fiction und am Beispiel der Knochenmarkstransplantation wollen wir erst mal den Proof-of-Concept machen, also die Wirksamkeit überprüfen. Aber Sie haben völlig recht: Wenn man synthetische Immunität erreichen könnte, indem man die gewünschten Antigenrezeptoren in T-Zellen oder Antikörper-bildende B-Zellen einsetzt, bräuchte man keine herkömmlichen Vakzine mehr. In der Regel sind dies ja aktive Impfstoffe, die das Immunsystem des Geimpften erst dazu bringen müssen, dass es langlebige B- und T-Gedächtniszellen generiert, die einen entsprechenden Schutz über Antikörper oder T-Zellen vermitteln. Immunität wird dabei erst in mehreren Schritten erzielt und auch nicht bei jeder Person mit dem gleichen Erfolg. Mit synthetischen Immunzellen kann man ganz präzise die gewünschte Qualität schützender Immunität generieren, und das sogar sofort.
Wann kann man mit den Zellen rechnen?
Wir denken, dass sich diese gentechnologischen Ansätze in wenigen Jahren weiter perfektionieren, vereinfachen und dann auch kostengünstig umsetzen lassen. Bei der Präzision und Vorhersagbarkeit der Umprogrammierung mit CRISPR/Cas ist es mehr eine Frage der regulatorischen Anforderungen und notwendigen Qualitätskontrollen, bis sich synthetische Immunitätsansätze breiter in der Klinik einsetzen lassen.
Welche Anwendungsgebiete außer Impfungen gegen Infektionserkrankungen sehen Sie noch?
Ein großes Gebiet, auf dem wir auch sehr aktiv sind, ist die Tumortherapie. Außerdem gibt es Gendefekte, bei denen T-Zellen nicht richtig arbeiten, die man mit diesen Techniken korrigieren kann. Dazu können spezialisierte T-Zellen, sogenannte regulatorische T-Zellen, auch überschießende Immunreaktionen dämpfen. So könnte man Autoimmunkrankheiten beispielsweise mit reprogrammierten regulatorischen T-Zellen behandeln.
Aber was, wenn bei der Herstellung synthetischer T-Zellen etwas schiefgeht, die Zellen vielleicht sogar entarten und ein Tumor entsteht?
Diese Ängste sind da und umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit stehen natürlich noch an. In der Tumortherapie werden mit CRISPR/Cas veränderte T-Zellen bereits in ersten klinischen Studien erprobt und die Daten sind sehr vielversprechend. Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem es zu einer tumorösen Entartung kam.
Gäbe es denn einen Notfallplan?
Ja. Man kann der Zelle einen sogenannten „Safe Guard“ mitgeben. Einen Mechanismus, der die Zelle ausschaltet, falls es zu unerwünschten Nebenwirkungen beziehungsweise Folgeerkrankungen kommt. Da gibt es verschiedene Wege. Wir lassen die Zellen zum Beispiel auf ihrer Oberfläche einen zusätzlichen Rezeptor exprimieren, der von einem Antikörper erkannt wird. Verabreicht man in präklinischen Mausmodellen diesen Antikörper, dann sieht man, dass er ausschließlich die synthetischen Zellen eliminiert.

Gene gezielt manipulieren

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