SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der Deutschen Zentren
der Gesundheitsforschung (DZG)

Newcomer im Porträt – Qihui Zhou und Thomas Wolfers

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AUF DER SPUR VON
ALS UND FTD
EIN „STARTING GRANT" DES EUROPÄISCHEN FORSCHUNGSRATS UNTERSTÜTZT DR. QIHUI ZHOU BEI DER ERFORSCHUNG VON HIRNERKRANKUNGEN.
DR. QIHUI ZHOU
Qihui Zhou studierte Biotechnologie sowie Molekular- und Zellbiologie an der Universität Shandong in China und der Universität Leiden in den Niederlanden. Ihre Doktorarbeit schrieb sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Frontotemporale Demenz (FTD) sind verheerende und bislang unheilbare Hirnerkrankungen: ALS geht mit einer fortschreitenden Lähmung der Muskulatur einher und führt – meist innerhalb weniger Jahre – zum Tode, FTD löst geistigen Verfall aus. Trotz der Unterschiede haben diese Erkrankungen gemeinsame Merkmale, denn sie liegen an den Enden eines Spektrums neurodegenerativer Störungen mit überlappenden Symptomen. Die meisten Patientinnen und Patienten erkranken „sporadisch" – was bedeutet, dass die Krankheitsursachen unbekannt sind. Gleichwohl sind manche Krankheitsvarianten genetisch bedingt. Bei diesen setzt Dr. Qihui Zhou an. „In meiner Forschung konzentriere ich mich auf Mutationen in einem Gen namens C9orf72. Sie sind die häufigste genetische Ursache sowohl bei ALS als auch bei FTD", erläutert sie. „Diese Mutationen haben diverse Folgen auf molekularer und zellulärer Skala. Ich vermute, dass Immunzellen bei all dem eine zentrale und bisher ungeklärte Rolle spielen. Deshalb beschäftige ich mich insbesondere mit sogenannten T-Zellen, einer Unterart der weißen Blutkörperchen."
Entzündung im Rampenlicht
Seit 2015 ist Zhou Postdoc am DZNE und wird seit 2021 als „Junior Group Leader" im Rahmen des Karriereprogramms „Career Development Fellow" gefördert. „Der ERC-Grant bietet mir die großartige Gelegenheit, meine Forschungsgruppe zu erweitern und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Das gibt meiner Forschung einen enormen Schub", sagt die Neurowissenschaftlerin.

Für ihr Projekt untersucht sie Zellkulturen, Mäuse mit krankhaften Veränderungen, die denen beim Menschen ähneln, sowie Bioproben von Patientinnen und Patienten. Mit ihrem Ansatz betritt sie wissenschaftliches Neuland. „Es gibt Hinweise darauf, dass Entzündungen ein entscheidender Aspekt vieler neurodegenerativer Erkrankungen sind. Insbesondere bei ALS und FTD scheint es so zu sein, dass an solchen Entzündungsprozessen nicht nur das Immunsystem des Gehirns beteiligt ist, das ein eigenes Repertoire an Immunzellen besitzt, sondern auch die Immunzellen des Blutes. Deshalb möchte ich herausfinden, wie sich Mutationen im C9orf72-Gen auf das Immunsystem des Gehirns und auf die peripheren Immunzellen auswirken", sagt Zhou.

Sie sieht T-Zellen, die über den Blutkreislauf ins Gehirn gelangen, als ein fehlendes Puzzlestück, das helfen könnte, die Krankheitsmechanismen von ALS und FTD besser zu verstehen. „Meine Vision ist, Biomarker und Ansatzpunkte für neue Wirkstoffe zu finden und so die Entwicklung besserer Behandlungsmöglichkeiten voranzutreiben."
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HETEROGENITÄT
ERFASSEN
DR. THOMAS WOLFERS VERBINDET COMPUTERGESTÜTZTE NEUROWISSENSCHAFTEN MIT MASCHINELLEM LERNEN UND PSYCHISCHER GESUNDHEITSFORSCHUNG.
DR. THOMAS WOLFERS
Dr. Thomas Wolfers, Principal Investigator (PI) am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit an der Uniklinik in Tübingen, hat in den Niederlanden am Donders Institut der Radboud Universität Nijmegen studiert. Seine Arbeit wird durch eine Emmy-Noether-Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
Schizophrenie und andere psychische Erkrankungen, Parkinson und verschiedene Demenzformen sind komplexe Leiden, die durch zahlreiche Faktoren beeinflusst werden – biologische, die oft im Gehirn lokalisiert sind, sowie umweltbedingte. Dr. Thomas Wolfers, Principal Investigator (PI) am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) an der Uniklinik in Tübingen, will dazu beitragen, diese Komplexität und damit die Heterogenität der Erkrankungen präziser zu erfassen. Er sagt: „Psychische und neurologische Erkrankungen treten in nahezu jeder Familie auf, und der Leidensweg bei schweren Verläufen ist belastend. Deshalb ist die Forschung in diesem Bereich so wichtig. Mein Ziel ist es, der einzelnen Patientin, dem einzelnen Patienten zu helfen."
Hohe Bedeutung von Mustererkennung
Thomas Wolfers hat nach seinem Doktor der Philosophie (PhD) in Neurowissenschaften mit Unterstützung verschiedener Stipendien, darunter einem Marie-Curie-Stipendium der EU, in Oslo und Oxford geforscht und gearbeitet. Als PI am DZPG wird er jetzt durch eine Emmy Noether-Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Sein Team verbindet computergestützte Neurowissenschaften mit maschinellem Lernen und psychischer Gesundheitsforschung. Diese Arbeit hat das Verständnis von Neuroimaging-basierten psychiatrischen Vorhersagen erheblich verändert, indem sie die Bedeutung von Stichprobengröße und Mustererkennung bei psychischen Erkrankungen aufgezeigt hat.
Demenz sehr früh erkennen
Wolfers hat zudem maßgeblich zur Grundlagenbildung bedeutender Publikationen über die Kartierung von Schizophrenie und bipolaren Störungen beigetragen und neue Standards für die Charakterisierung individueller Gehirnstrukturen gesetzt. Für ihn gehen Grundlagenforschung und angewandte Forschung Hand in Hand: „Neurowissenschaften und künstliche Intelligenz müssen dem Menschen perspektivisch eine Hilfe sein, das geht sehr gut im Gesundheitswesen. Ein bemerkenswerter Ansatz kann beispielsweise Demenz anhand von Gehirnbildern bis zu sieben Jahre vor der Diagnose vorhersagen und erklären." Thomas Wolfers betont: „Natürlich sind diese Modelle noch in der Erprobung. Bevor sie in der klinischen Praxis Anwendung finden können, müssen jedoch noch technische, gesellschaftliche und translatorische Fragen geklärt werden. Man kann aber heute schon sagen, dass diese Art Methoden das Gesundheitswesen verändern werden."
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