"Man hat mir das zugetraut"
Interview: Christine Vollgraf
Ein Gespräch mit Dr. med. Alexander Jobs,
Assistenzarzt in der Kardiologie und Studienleiter, Herzzentrum Leipzig
Schon als Rettungssanitäter war Alexander Jobs von der Herz-Kreislauf-Physiologie fasziniert. Während des Medizinstudiums begann er noch vor dem Physikum eine Doktorarbeit im Labor. Und bereits als junger Assistenzarzt bekam er die Chance, eine klinische Pilotstudie* des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zu leiten. Sein Ziel ist es, bessere Behandlung von Patienten mit akut-dekompensierter Herzschwäche zu erforschen.
Redaktion DZG: Herr Jobs, wollten Sie schon immer forschen?
Das war nicht der Plan. Aber ich hatte im Medizinstudium einen tollen Mentor, Professor Cor de Wit aus Lübeck, von dem ich sehr viel gelernt habe. Er brachte mir zum Beispiel bei, wie man wissenschaftliche Literatur sucht, liest und auswertet. Es machte mir Spaß, Daten zu generieren und zu analysieren. Dann ist man ganz schnell dabei, eigene Projektideen zu entwickeln.
Wie kamen Sie zur klinischen Forschung?
Meine Doktorarbeit behandelte ein grundlagenwissenschaftliches Thema. Dieses Arbeitsfeld erschien mir als Familienvater aber zu unsicher. Zudem habe ich das Studium mit dem Wunsch begonnen, klinisch tätiger Arzt zu werden. Durch meine Arbeit als Assistenzarzt in der Kardiologie verstand ich immer besser, dass viele Behandlungsfragen noch nicht wirklich geklärt sind. Ich habe mich gefragt, wie man das ändern kann.
Was genau wollen Sie mit Ihrer Studie herausfinden?
Auf unserer Station sah ich häufig Patienten mit akut dekompensierter Herzschwäche. Darunter versteht man den starken Leistungsabfall des Herzens innerhalb weniger Minuten bis Stunden, ein Ereignis, das lebensbedrohlich sein kann. Betroffen sind Patienten mit chronischer Herzschwäche, das Ereignis kann aber auch bei scheinbar Gesunden auftreten. Bei über 65-Jährigen ist es der häufigste Grund für eine Einweisung ins Krankenhaus, oft über die Notaufnahme. Die Patienten leiden bereits in Ruhe unter Atemnot und haben Wassereinlagerungen in den Beinen. Durch das schwache Herz ist der Füllungsdruck in der Herzkammer erhöht, wodurch auch der Druck in den zuführenden Gefäßen wie der unteren Hohlvene größer wird, die sich dann ausdehnen.
Wir behandeln die Patienten mit entwässernden Medikamenten, um das Herz-Kreislauf-System zu entlasten. Es gibt aber keine eindeutigen klinischen Parameter dafür, wann die Behandlung erfolgreich ist. In der Studie wollen wir nun mittels Ultraschall die Durchmesseränderung der unteren Hohlvene im Verlauf der Therapie bestimmen. Die Frage ist: Kann ihr Durchmesser ein Parameter für die Steuerung der Behandlung sein? Wir wüssten dann viel genauer, wie lange und intensiv wir behandeln müssen. Denn wenn die Behandlung nicht ausreichend war, kommt der Patient bald wieder und seine Prognose wird immer schlechter.
Haben Sie sich diese Fragestellung allein überlegt?
Wir haben darüber häufig als Klinikteam im Rahmen unserer internen Fortbildungen diskutiert. Es ergab sich aber meist nichts Konkretes. Das störte mich. Ich habe dann die wissenschaftliche Literatur gesichtet und entwickelte die grobe Studienidee. Davon erzählte ich Prof. Holger Thiele, der gerade Chef der Lübecker Universitätskardiologie geworden war, in einem Weiterbildungsgespräch. Gleichzeitig gab es im DZHK die ersten Ausschreibungen für klinische Studien. Professor Thiele hat mich ermuntert, einen Antrag für eine Förderung einzureichen. Bis dahin hatte ich noch keinen einzigen Forschungsantrag geschrieben und im DZHK waren die Prozesse auch noch recht neu. Aber man hat mir das zugetraut, das hat mich sehr motiviert.
Hat Ihnen die Einbindung ins DZHK geholfen?
Ich hatte eine Stelle im Rahmen des „Clinical staff", das sind Studienärzte, die sich in einer DZHK-Partnereinrichtung um sämtliche dort laufende DZHK-Studien kümmern. So konnte ich noch vor dem Start unserer eigenen Studie praktische Erfahrung bei der Rekrutierung von Patienten anderer DZHK-Studien und mit der DZHK-Infrastruktur sammeln, das hat sich später ausgezahlt. Im Laufe der Studie sind wir jetzt auf einen interessanten Biomarker gestoßen, daraus könnte sich ein translationales Subprojekt ergeben. Für so etwas ist die Anbindung ans DZHK ideal, weil hier die unterschiedlichsten Experten zusammenkommen.
Wie läuft die Studie jetzt?
Die meisten DZHK-Studien sind multizentrisch, so auch unsere. An ihr beteiligen sich 13 DZHK-Zentren und zwei externe. Die Initiierung aller Zentren ist nochmal sehr aufwendig gewesen. Man muss die Mitarbeiter ins Boot holen, ihnen die richtigen Informationen liefern, immer ansprechbar sein. Wir haben jetzt 240 von 388 Patienten in der Studie und sind damit fast im Plan. Ich bin sehr zufrieden.
Sie haben auf dem DZG-Workshop für klinische Nachwuchswissenschaftler kürzlich über Ihren Werdegang berichtet und auch Fallstricke nicht verschwiegen. Welche waren das?
Zunächst hatte ich den Arbeitsaufwand komplett unterschätzt. Ich habe drei Kinder und muss sehen, wie ich das alles unter einen Hut bringe. Mittlerweile verlege ich die Schreibtischarbeit für die Studie in die frühen Morgenstunden, wenn die Familie noch schläft. Das geht ganz gut. Für auswärtige Termine und Koordinationsaufgaben werde ich zudem von der klinischen Tätigkeit freigestellt. Und es gibt immer Unwägbarkeiten, da darf man nicht die Nerven verlieren. Klinische Studien sind hoch reguliert, das ist gut und wichtig. Aber daraus erwächst auch viel Bürokratie. Ich hätte nie gedacht, wie lange das Einholen von drei Unterschriften zum Beispiel für einen Prüfzentrumsvertrag dauern kann, selbst auf dem eigenen Campus. Ich bin dann pragmatisch und stehe einfach bei den entsprechenden Kollegen im Büro. Und dann klappt es meist.
* Ultrasound evaluation of the inferior vena cava in addition to clinical assessment to guide decongestion in acute decompensated heart failure: a pilot study (CAVA-ADHF-DZHK10)