
DZG-Redaktion: Juliane Gringer, Jörn Bullwinkel
K – Prof. Dr. Susanne Krauss-Etschmann (links)
Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
A – Prof. Dr. Dr. Miguel Alejandre Alcázar
Justus-Liebig-Universität Gießen und Uniklinik Köln
H – Prof. Dr. Gesine Hansen
Medizinische Hochschule Hannover
Was macht die Lunge als Organ aus?
Die Lunge hält uns durch die Atmung am Leben und spielt unter anderem eine wichtige Rolle im Immunsystem. Die Weichen für ihre Entwicklung werden schon in der Schwangerschaft gestellt, und Beeinträchtigungen können lebenslang systemische Schwierigkeiten mit sich bringen: Kinder, die Probleme mit der Atmung haben, bewegen sich zum Beispiel in der Regel weniger. Das kann ein Risikofaktor für weitere Krankheiten sein.
Im Gegensatz zu anderen Organen kommuniziert die Lunge schon während der Schwangerschaft über das Fruchtwasser mit der „Umwelt“ und mit anderen Organen wie dem Herz. Deshalb ist es wichtig, dass die entsprechenden Forschungsbereiche interdisziplinär zusammenarbeiten und die gesamte Lebensspanne betrachten. Das wird in den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung möglich.
Was kann bereits vor der Geburt negativ auf das Organ wirken?
Das Risiko für Asthma und Allergien wird während der Schwangerschaft und nach der Geburt durch Umweltfaktoren mitgeprägt. So können bereits Lebensstil und Umstände der Eltern vor der Zeugung einen Einfluss auf das spätere Allergie- und Asthmarisiko ihrer Kinder haben.
Ein Risikofaktor ist es beispielsweise, wenn die Mutter mit Übergewicht in die Schwangerschaft geht oder in dieser Zeit stark zunimmt, da Fettgewebe zu einer chronischen systemischen Entzündung beitragen kann. Das kann sich über eine sogenannte Fett-Lunge-Achse nachteilig auf die Lunge auswirken. Wir arbeiten im DZL-Querschnittsbereich „Lung-Environment Interaction“ daran zu verstehen, wie pathologisches Fettgewebe mit Lunge und Herz kommuniziert und untersuchen, ob und wie man durch Sport präventiv eingreifen oder wie man die Fett-Lunge-Achse reprogrammieren kann.
Welche Einflüsse kann es rund um die Geburt geben?
Neben Entzündungen und metabolischen Einflüssen stellt Frühgeburt aus meiner Sicht das größte Risiko für das Kind dar. In Deutschland ist fast jedes zehnte Kind ein Frühgeborenes, entsprechend wichtig ist dieses Thema in der Forschung. Wird das Kind vor der 36. Schwangerschaftswoche geboren, ist die Lunge noch nicht ausgereift. Zwar kann die Lungenreife vorgeburtlich mit Medikamenten unterstützt werden, aber dennoch bedürfen diese Kinder oft atemunterstützender Maßnahmen, die zwar lebensrettend sind, aber auch zu akuter und chronischer Lungenschädigung führen.
Auch der Geburtsmodus hat Einfluss auf die Lungenentwicklung: Ein Kaiserschnitt geht beispielsweise mit einem erhöhten Risiko für Asthma einher. Negativ wirken sich oft auch viele Lungeninfektionen in den ersten Lebensjahren aus – mit Erregern wie dem Respiratory Syncytial Virus (RSV).
Wie stark ist die Regenerationsfähigkeit des Organs?
Aktuell geht man davon aus, dass jede Einschränkung der Lungenfunktion eines Kindes, die bis zum Vorschulalter nicht aufgeholt werden kann, lebenslang bestehen bleibt. Dadurch kann sich das Risiko für viel später auftretende Erkrankungen wie COPD erhöhen. Wir untersuchen im Tier-versuch, wie man die Regenerationskapazität der Lunge vielleicht doch fördern kann. Vielleicht geht das durch Stammzellen, die sowohl für die Regeneration und Reparaturvorgänge als auch für das Wachstum wichtig sind, denn sie werden durch Umwelteinflüsse auf die Eltern vor der Zeugung oder während der Schwangerschaft gestört.
Sind rauchende Eltern einer der stärksten Risikofaktoren für Lungenschädigungen auch beim Kind?
Ja, epidemiologische Studien geben ganz klare Hinweise darauf, dass die Lungengesundheit nachhaltig beeinträchtigt wird, wenn die Eltern rauchen – in der Schwangerschaft, aber sogar möglicherweise schon vor der Zeugung. Es ist schädlich, wenn die Väter während der Pubertät geraucht haben, weil sich in diesem Alter die Vorläuferzellen entwickeln, aus denen später Spermien werden, welche dann das Risiko transportieren. Zigaretten können so negative Auswirkungen auf Lungenfunktion und Entwicklung des Körpergewichts des späteren Nachwuchses haben. Die Dauer des Rauchens spielt weniger eine Rolle als das Zeitfenster der väterlichen Pubertät.
Was ist das aktuelle Ziel der Forschung zu Themen wie diesem?
Durch tiefgehende molekulare Analysen wollen wir die Mechanismen hinter Asthma verstehen. Dann haben wir die Chance, bessere und individuellere Therapien für 300 Millionen weltweit betroffene Menschen zu entwickeln. Bisher gilt die Krankheit als unheilbar, aber unser Anspruch sollte es sein, auch das zu ändern.
Wir versuchen in den Tiermodellen Maus und Fliege Moleküle zu identifizieren, die sich als Angriffspunkt für Medikamente eignen. Zudem studieren wir schädliche Stoffe aus dem Dampf von E-Zigaretten: Hier sehen wir dramatische Effekte bereits bei geringen Expositionen – diese können die Atemwegsentwicklung deutlich verändern. Das müssen wir aber natürlich in epidemiologischen Studien genauer untersuchen.
DIE DAUER DES RAUCHENS
SPIELT WENIGER EINE ROLLE ALS DAS ZEITFENSTER.
Forschung sorgt immer wieder für große Durchbrüche in der Therapie, so auch bei der Stoffwechselerkrankung Cystische Fibrose (Mukoviszidose). Sie entsteht durch Mutationen im CFTR-Gen, die die Funktion eines Ionenkanals stören und zu zähem Schleim in der Lunge führen – mit bereits vorgeburtlichen Folgen für die Lungenentwicklung. Dank medizinischer Fortschritte ist die Lebenserwartung Betroffener auf über 65 Jahre gestiegen. Wie wurde das möglich?
Große Fortschritte gab es bereits durch die frühe Diagnostik im Rahmen des Neugeborenen-Screenings und die anschließende präventive Behandlung durch Inhalation einer hypertonen Kochsalzlösung. Die multizentrische DZL-Studie PRESIS konnte zeigen, dass es hilft, Kinder schon vor den ersten Symptomen zu behandeln.
Weiterhin hat man Medikamente entwickelt, die die Zahl der CFTR-Kanäle in der Zellmembran erhöhen und sie länger offenhalten. Die Lungenfunktion wird deutlich verbessert, somit auch Lebensqualität und Lebenserwartung der betroffenen Kinder.
Das DZL hat zu diesen Erkenntnissen maßgeblich beigetragen. Für mich ist das eine der größten Erfolgsgeschichten in der Medizin überhaupt.
EIN KAISERSCHNITT GEHT BEISPIELSWEISE MIT EINEM ERHÖHTEN RISIKO FÜR ASTHMA EINHER.
Wie unterstützen Forschende im DZL die Prävention von Lungenkrankheiten noch?
Wir pflegen eine ungewöhnlich enge Verzahnung von Grundlagenforschung und klinischer Forschung. Mithilfe des ALLIANCE-Registers untersuchen wir beispielsweise, welche epidemiologischen Risikofaktoren relevant sind. Wir versuchen dabei auch Marker zu identifizieren, die darauf hindeuten, dass man bestimmte Kinder medizinisch enger begleiten sollte, die bisher noch nicht so stark auffällig sind.
Wir vergleichen verschiedene Lungenerkrankungen, auch auf molekularer Ebene, um übergreifende Muster ihrer Entstehung zu finden und harmonisierte präventive Ansätze zu verfolgen. Auch Zell- und Gentherapien, zum Beispiel mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS), werden immer wichtiger. In meinem Forschungsbereich nutzen wir sie beispielsweise bei der seltenen Lungenerkrankung pulmonale Alveolarproteinose, kurz: PAP. Wir geben im Labor „korrigierte“ Fresszellen in die Lunge, die die Aufgabe von defekten Zellen übernehmen. Impulsgeber an die Grundlagenforschung war hier die enge Zusammenarbeit von Kinderpneumologinnen, Hämatologen und Grundlagenwissenschaftlerinnen. Aus der Forschung kam der Ansatz dann relativ schnell in die klinische Praxis – so entsteht Innovation!
Das ALLIANCE-Register ist mit 1.500 Probandinnen und Probanden aller Altersstufen eine der größten und umfassendsten Studien zu Asthma in Deutschland. Die große Bandbreite an untersuchten Biomaterialien in ALLIANCE ermöglicht es unter anderem, Krankheitsverläufe molekular zu verstehen.
Wie unterstützt all das die Prävention von Erkrankungen der Lunge?
Man kann nur präventiv vorgehen, wenn man Risiken (er)kennt – und hier setzt die Forschung des DZL an. Forschung ist Prävention. Ich selbst kann insbesondere für die Kinderheilkunde werben, denn hier kann man dazu beitragen, dass das gesundheitliche Fundament für den Rest des Lebens stabil aufgebaut wird, indem man früh vorbeugt. Das DZL bietet uns die Möglichkeit, die Brücke zwischen Pädiatrie und Erwachsenen-Pneumologie zu schlagen. Wir lernen voneinander, wie man etablierte Verfahren der Risikofrüherkennung nutzen und verbessern kann. Das ist nur möglich, wenn alle im Team zusammenarbeiten.