Gesundheitsversorgung hängt stark davon ab, in welchem Land, in welcher Region und in welchem familiären und sozialen Umfeld Kinder und Jugendliche aufwachsen. Professor Anna Lene Seidler von der Universitätsmedizin Rostock und dem Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) will mit ihrer Arbeit gesundheitliche Chancengleichheit erhöhen. Sie kommt aus der Psychologie, hat am Zentrum für klinische Studien der Universität Sydney in Medizinforschung promoviert und als Biostatistikerin dort zuletzt eine Forschungsgruppe geleitet. In Rostock wird sie innovative Methoden mit Versorgungsforschung im Kindes- und Jugendalter verbinden. Sie will diverse Datensätze systematisch zusammenführen und prospektive Methoden der Zusammenarbeit in der Forschung entwickeln und verbessern: Einheitliche Studiendesigns vereinfachen Kooperation und Informationsaustausch und ermöglichen die Weiternutzung von Forschungsdaten. „Medizinische Forschung ist auf Teilnehmende angewiesen, die ihre Zeit investieren und sich möglicherweise auch Risiken aussetzen. Leider wird aber heutzutage nur die Hälfte aller Studien publiziert, viele Daten gehen verloren. Ich möchte, dass Forschungsdaten und -ergebnisse einfacher zugänglich werden und weitergenutzt werden können. Wenn wir Daten aus vielen Studien zusammenbringen, können wir wichtige Forschungsfragen häufig abschließend beantworten", erklärt sie.
Dass sich durch ein spätes Abnabeln die Überlebenschancen von Frühgeborenen erhöhen können, ist eine Hypothese aus den 1960er-Jahren. Anna Lene Seidler hat sie bestätigt, indem sie Daten aus unabhängig voneinander entstandenen kleineren Studien untersucht hat. Mittlerweile sind Seidlers Ergebnisse in Deutschland in die Versorgungsleitlinien aufgenommen. In der Kinder- und Jugendmedizin gibt es oft keine hohen Fallzahlen, weil schwerwiegende Erkrankungen im Kindesalter eher selten auftreten. Seidlers Ansatz, kleinere Studien zusammenzuführen, trägt dazu bei, die Datenlage zu verbessern. „Mit größeren Datensätzen ist es möglich zu überprüfen, ob Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Umwelten andere Behandlungen oder Präventionsangebote benötigen und welche Gesundheitsförderung bei verschiedenen Gruppen ankommt. So kann gesundheitliche Chancengleichheit verbessert werden." Um gesundheitliche Ungleichheit zu untersuchen und vor allem abzubauen, wird Seidler von Rostock aus weltweit mit anderen Forschern und internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammenarbeiten.