Bei Typ-2-Diabetes werden Körperzellen zunehmend weniger empfänglich für das Hormon Insulin, das den Blutzucker reguliert. Das Insulin wird von den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse hergestellt. Reagieren die Körperzellen nicht ausreichend darauf, fahren die Beta-Zellen die Insulinproduktion zunächst hoch, auf Dauer produzieren sie aber immer weniger. „Es gibt Hinweise, dass pathologische Veränderungen in den pankreatischen Inseln Immunreaktionen, wie etwa Entzündungen, hervorrufen“, sagt Yanni Morgenroth, Nachwuchswissenschaftler im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). In seiner Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Michele Solimena will er Gewebe der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) anfärben und anschließend lichtmikroskopisch analysieren.
DER DIABETESFORSCHER YANNI MORGENROTH UND DIE TUMORIMMUNOLOGIN REBEKKA WEHNER ERFORSCHEN MITHILFE EINER EINZIGARTIGEN SAMMLUNG VON BAUCHSPEICHELDRÜSENGEWEBE, WAS DIABETES TYP 2 MIT DEM IMMUNSYSTEM ZU TUN HAT.
Einzigartige Gewebeproben von lebenden Spendern
Dabei kann er auf außergewöhnliche Proben zurückgreifen: Durch die langjährige enge Zusammenarbeit mit Marius Distler und Jürgen Weitz aus Dresden hat sein Team eine nahezu einzigartige Biobank von Pankreasgeweben und Blutproben aus der LIDOPACO (LIving DOnor PAncreas COhort) zusammengestellt, die mehr als 500 metabolisch phänotypisierte, pankreatektomierte lebende Spender umfasst. Im Gegensatz zu enzymatisch isolierten Pankreasinseln von hirntoten Spendern, der derzeit häufigsten Quelle von Gewebe für die Diabetesforschung, werden die Gewebe von pankreatektomierten lebenden Spendern nicht durch Notfallmedikamente beeinträchtigt und bieten daher einen besseren Einblick in den molekularen und physiologischen Zustand der insulinproduzierenden pankreatischen Beta-Zellen.
Rebekka Wehner vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) hat das Know-how zu Immunzellen und die Protokolle, um diese standardisiert anzufärben. Bislang wurden diese Protokolle eingesetzt, um Tumore und begleitende Immunprozesse zu charakterisieren und zu erforschen. Gemeinsam untersuchen Wehner und Morgenroth nun die Bauchspeicheldrüsenproben der Dresdner Gewebesammlung im Projekt „Abundance and Morphometry of Endocrine and Immune Cells in Islets of Langerhans derived from Living Donors in Health and Type 2 Diabetes“.
Mithilfe eines Färbeautomaten kann das DZG-übergreifende Team Proben in großem Maßstab standardisiert anfärben. Neben T-Zellen können so auch B-Zellen, Makrophagen und dendritische Zellen dargestellt werden. „Für diese Immunzellen können wir zeigen, ob sie in der Bauchspeicheldrüse vorhanden sind und wo genau sie dort vorkommen. Außerdem können wir bestimmen, ob es entzündungsfördernde oder eher immunsuppressive Zellen sind und ob der Gewebeverband noch intakt ist“, so Wehner. Sie hat vor allem fasziniert, welche Rolle Immunzellen bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes spielen, und auch die einzigartige Probensammlung motivierte sie dazu, ein Projekt außerhalb ihres sonstigen Tätigkeitsgebiets in der Krebsforschung zu starten.
Treffen bei Dresdner Symposium der DZG
Erstes Ziel des gemeinsamen Vorhabens ist es, die Färbe-Pipeline für das Pankreasgewebe robust und solide zu etablieren, um die Beziehung zwischen Immunzellen und Pankreaszellen bei Typ-2-Diabetes weiter entschlüsseln zu können. Doch die dabei entwickelten Färbetechniken sind auch für die Erforschung des Bauchspeicheldrüsenkrebs hochrelevant: Eine Win-win-Situation für beide Arbeitsgruppen. Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse zur Rolle des Immunsystems bei Pankreaserkrankungen wie Diabetes oder Bauchspeicheldrüsenkrebs könnten zukünftig dazu beitragen, neue Diagnose- und Therapieoptionen für Betroffene zu entwickeln.
Morgenroth und Wehner haben sich bei einem gemeinsamen Symposium der Dresdner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung kennengelernt. Dieses findet seit 2019 einmal jährlich statt. Neben der wichtigen lokalen Netzwerkpflege dienen die Treffen vor allem dazu, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Forschungsdisziplinen zu fördern. „Das Schöne am Dresdner DZG-Symposium ist, dass wir engagierte Kolleginnen und Kollegen sowie moderne Technologien aus den verschiedenen DZG am Campus kennenlernen“, sagt Yanni Morgenroth. „So können neue Projektideen schnell angegangen und umgesetzt werden.“ Wehner und er konnten für ihr gemeinsames Projekt, in das Expertise und Technologien aus der Diabetes- und der Krebsforschung einfließen, bereits eine Anschubfinanzierung einwerben.