SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der Deutschen Zentren
der Gesundheitsforschung (DZG)

Fasten durchbricht den Teufelskreis

Mit welchen Veränderungen des Lebensstils man sein Krebsrisiko senken kann, wollen Professor Mathias Heikenwälder und Dr. Mohammad Rahbari herausfinden. Heikenwälder leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, dem Kernzentrum des DKTK, die Abteilung Chronische Entzündung und Krebs. Rahbari ist als Clinician Scientist in seiner Arbeitsgruppe tätig.
DZG-Redaktion: Claudia Doyle
R – Mohammad Rahbari (links), DKFZ in Heidelberg
H – Mathias Heikenwälder (rechts), DKFZ in Heidelberg und M3 Forschungszentrum in Tübingen
Die Zahl an Leberkrebserkrankungen steigt gerade in westlichen Industrienationen steil an. Auch in Ländern wie Indien und China lässt sich das beobachten. Warum ist das so?
Ein wichtiger Faktor ist unser Lebensstil, vor allem die Ernährung. Die sogenannte Western Diet wird immer beliebter, also eine zucker- und fetthaltige Ernährung voll hochverarbeiteter Lebensmittel. Sie führt dazu, dass sich bestimmte Moleküle, wie Fettsäuren und Cholesterol, in unseren Leberzellen anreichern. Dann entsteht eine Fettleber.
In Deutschland haben circa 30 bis 40 Prozent aller Menschen eine verfettete Leber, auch Steatose genannt. Sie ist ein deutliches Signal dafür, dass der Metabolismus mit der Menge der Nahrung überfordert ist. Steatose geht häufig mit Übergewicht einher, das muss aber nicht immer so sein. Manche Leute sind normalgewichtig und ihre Leber ist trotzdem verfettet.
Wie wird aus der Fettleber dann Leberkrebs?
Zunächst kommt es zu einer Entzündung des Organs. Sie entsteht dadurch, dass einige der verfetteten Leberzellen absterben und Botenstoffe an die Umgebung der Leber senden, die eine Entzündung auslösen und auch eine Wachstumsaktivierung der Leberzellen. Andere Leberzellen versuchen durch Teilung, das verloren gegangene Gewebe zu ersetzen. So entsteht eine chronische Regeneration der Leber, die ein Nährboden ist für die Leberkrebs-Entstehung. Sie kennen sicher die griechische Sage von Prometheus?
Der, der den Menschen das Feuer geschenkt hat und zur Strafe dafür an einen Felsen gekettet wurde.
Genau. Täglich kam ein Adler und fraß ein Stück seiner Leber. Die wuchs aber immer wieder nach. Nun, es ist etwas Wahres dran an der Geschichte: Die Leberzellen sind Meister der Regeneration, sie warten nur darauf, sich teilen zu können. Dieses Regenerationsvermögen ist an sich gut und wünschenswert – wenn es nur hin und wieder beansprucht wird. Aber wenn die Regeneration zum Dauerzustand wird – also chronisch –, geraten die Leberzellen in Stress.
ES WAR BEREITS BEKANNT, DASS VERÄNDERUNGEN AM ERNÄHRUNGSVERHALTEN ZAHLREICHE POSITIVE EFFEKTE HABEN.
Was bedeutet das konkret?
Der Stress ruft das Immunsystem auf den Plan. Die Immunzellen eilen herbei und suchen nach der Ursache. Wenn jetzt weiterhin zu viel Fett und Kohlenhydrate mit der Nahrung reinkommen, entsteht ein Teufelskreis und die Entzündungsreaktion wird immer stärker.
Die in den Zellen abgelagerten Stoffe verursachen zahlreiche Veränderungen und schädigen die DNA beziehungsweise behindern das Reparieren von Schäden. Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie beim Rauchen, wenn die DNA in den Lungenzellen durch Toxine aus der Zigarette kaputt gemacht wird. Es entstehen entartete Zellen, Krebszellen eben.
Sie haben an Mäusen untersucht, ob Intervallfasten diesen Teufelskreis durchbrechen kann. Wie kamen sie auf diesen Ansatz?
Es war bereits bekannt, dass Veränderungen am Ernährungsverhalten zahlreiche positive Effekte haben. Wer weniger isst, senkt sein Körpergewicht und seinen Blutdruck. Wir wollten also schauen, ob auch die Leber davon profitiert und welche molekularen Signalwege dafür verantwortlich sind.
Wie lief das Experiment ab?
Wir haben die Mäuse in zwei Gruppen eingeteilt. Alle bekamen Futter, das in seiner Zusammensetzung einer westlichen Ernährungsweise ähnelt: ein hoher Gehalt an Kohlenhydraten und Fetten. Eine Gruppe durfte jeden Tag so viel essen, wie sie wollte. Die andere Gruppe musste zwei Mal pro Woche an nicht aufeinanderfolgenden Tagen für 24 Stunden fasten. Die Mäuse hatten Zugang zu Wasser, aber nicht zu Futter. Wir haben überwacht, wie viel die Mäuse pro Woche fressen, wie viel sie wiegen und wie es ihren Lebern geht.
Spannend war, dass beide Gruppen über die Woche gesehen die gleiche Menge an Kalorien zu sich genommen haben, obwohl die eine Gruppe an zwei Tagen nichts essen durfte. Die Mäuse haben das Defizit an Ernährung aus der Fastenzeit einfach am nächsten Tag nachgeholt. Erst als wir das wussten, wurde die Studie richtig interessant. Denn jetzt stand fest, dass nicht die Gesamtkalorien den entscheidenden Einfluss haben, sondern der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme beziehungsweise die Pausen dazwischen.
Gab es ansonsten Unterschiede bei den Mäusen?
Ja, sogar gewaltige. Die Mäuse, die tageweise gefastet haben, hatten nach neun Monaten durchschnittlich zehn Prozent ihres Körpergewichts verloren. Ihre Lebern waren kleiner und sie litten weniger häufig an einer entzündlichen Fettlebererkrankung. Der Teufelskreis wird also tatsächlich durchbrochen.
Zwei Mal pro Woche 24 Stunden lang fasten ist eine Herausforderung. Könnte ich den gleichen Effekt auch erreichen, wenn ich nur einen Tag faste? Oder zwei Mal zwölf Stunden?
Leider nein, das haben wir mithilfe der Mäuse überprüft. Selbst vier Mal zwölf Stunden pro Woche ist nicht so wirksam. Es ist auch wichtig, dass man anfängt, auf Nahrung zu verzichten, wenn die aktive Phase des Tages beginnt. Dann ist der positive Effekt auf die Leber am größten – zumindest bei Mäusen.
ES IST WICHTIG, DASS MAN ANFÄNGT, AUF NAHRUNG ZU VERZICHTEN, WENN DIE AKTIVE PHASE DES TAGES BEGINNT.
Warum ist das so?
Die Leberzellen haben einen riesigen Glykogenspeicher, der muss zuerst abgebaut werden. Das allein dauert schon einige Stunden. Erst dann beginnt die Detoxifizierung. Die Leberzellen fahren ihren Stoffwechsel hoch und bauen den biologischen „Müll“ ab, der sich in ihnen über die Zeit angesammelt hat. Wenn Sie jetzt jede Woche zwei Fastentage einlegen, dann geht es den Zellen immer ein wenig besser. Irgendwann ziehen sich auch die Immunzellen aus der Leber zurück und die Entzündungsreaktion vermindert sich stark.
Auch die Rate an Leberkrebs war bei den fastenden Mäusen daher geringer.
Und lassen sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen?
Erste Studienergebnisse deuten darauf hin, dass dieses intermittierende Fasten auch beim Menschen die Entstehung und vor allem das Fortschreiten von Fettlebererkrankungen eindämmt. Aber dass es auch Leberkrebs verhindert, dafür müssen wir jetzt noch den Nachweis erbringen – diese Studien dauern in der Regel mehrere Jahre.
Ist der nächste Schritt jetzt also eine Fasten-Studie mit Menschen?
Es wäre zumindest einfach und kostengünstiger, so eine Studie zu konzipieren – im Vergleich zu Studien mit Medikamenten. Man verabreicht keine neuen Wirkstoffe. Eine toxikologische Analyse solcher Wirkstoffe wäre daher ebenfalls nicht notwendig. Das Problem ist die Compliance: Der Geist ist stark, aber das Fleisch ist schwach. Es ist sehr schwierig, die Fastenzeit einzuhalten. Deswegen war es uns wichtig, auch herauszufinden, welche Moleküle bei der Entgiftung von Leberzellen aktiviert werden.
Unsere Idee ist jetzt, dass wir diese Moleküle mithilfe von Wirkstoffen anschalten und dadurch das Fasten nachahmen. Dies würde es ermöglichen, das Fasten zu umgehen und die positiven Effekte, zumindest teilweise, medikamentös zu initiieren.
Hat das Fasten auch einen positiven Effekt auf andere Krebserkrankungen?
Die Mechanismen, die wir hier für Leberzellen besprochen haben, sind auch in anderen Organen relevant. Das Gewebe in der Brust, im Gastrointestinaltrakt oder in der Bauchspeicheldrüse könnte auch von solch einem intermittierenden Fasten profitieren. Das muss aber noch erforscht werden.
DER GEIST IST STARK, ABER DAS FLEISCH IST SCHWACH. ES IST SEHR SCHWIERIG, DIE FASTENZEIT EINZUHALTEN.
Welche Rolle spielt das Darmmikrobiom bei der Krebsentstehung?
Das ist eine der zentralen Fragen eines DZG-übergreifenden Projekts, welches innerhalb des Förderprogramms DZG Innovation Fund zum Thema „Mikrobiom“ gefördert wird. In unserem Darm leben unzählige Mikroben, und Veränderungen in diesen Gemeinschaften wurden mit verschiedenen Krankheiten wie Diabetes, Herz- und Nierenerkrankungen, Krebs und Lungenerkrankungen in Verbindung gebracht. Bis heute wissen wir nur sehr wenig darüber, wie dieses Darmmikrobiom zu menschlichen Krankheiten beitragen oder diese sogar verhindern kann. In dem gemeinsamen Projekt wird daher die Rolle des Darmmikrobioms für den Schutz von Organen wie z. B. der Leber durch Wirkstoffe, die bereits bei Diabetes eingesetzt werden – sogenannte SGLT-2-Hemmer – untersucht. Für das DKTK ist unter anderem Mathias Heikenwälder beteiligt. Aus Vorarbeiten seiner Arbeitsgruppe ist bekannt, dass die Darmbakterien das Fortschreiten einer Fettlebererkrankung maßgeblich beeinflussen können.

An Zellkulturen wird innerhalb des DZG Innovation-Fund-Projekts untersucht, ob und mit welchen Mechanismen SGLT-2-Hemmer die Verfettung der Leberzellen reduzieren können. Die Experimente werden in vitro – also in der Kulturschale – laufen. Als nächstes stehen Tests an Mini-Organmodellen, auch Organoide genannt, an, mit deren Hilfe die Interaktion zwischen Darmbakterien und Wirtszellen untersucht werden kann. Dann kommen wieder die Mäuse ins Spiel, um die Mechanismen im Kontext der Fettleber-Erkrankung zu untersuchen.
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