Den Patienten Hoffnung geben
Text: Joachim Pietzsch
Der Lungenhochdruck – früher eine häufig
tödlich endende Erkrankung – ist heute zumeist beherrschbar geworden
Es ist noch nicht lange her, da kam die Diagnose Lungenhochdruck oft einem Todesurteil gleich. Meist traf es junge Menschen, denen nur noch wenig Lebenszeit blieb, wenn sie den Grund für ihre Atemnot erfuhren, unter der sie schon bei leichter Anstrengung litten: stark verengte Lungenarterien. Das Herz muss das Blut dann gegen hohen Widerstand durch die Gefäße der Lunge pumpen. Das überlastet den Herzmuskel – und lässt ihn eines Tages kapitulieren.
„NOCH IN DEN 1990ER-JAHREN MUSSTEN WIR IN UNSERER SPRECHSTUNDE VIELE TRAURIGE NACHRICHTEN ÜBERMITTELN."
Hossein-Ardeschir Ghofrani
„Noch in den 1990er-Jahren mussten wir in unserer Sprechstunde viele traurige Nachrichten übermitteln", erinnert sich Hossein-Ardeschir Ghofrani. Der Arzt und Wissenschaftler leitet die Spezialambulanz
für Lungenhochdruck am Universitätsklinikum Gießen.
„Heute können wir unseren Patienten die Hoffnung geben, dass sie trotz ihrer schweren Erkrankung berufstätig bleiben und ihre Kinder und Enkel aufwachsen sehen."
Zu diesem Fortschritt haben Ghofrani und seine Forscherkollegen Ralph Schermuly, Werner Seeger und Friedrich Grimminger vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) entscheidend beigetragen. Für ihre gemeinsame Forschungsleistung – die Entwicklung von „Riociguat", einem neuen Medikament zur Behandlung von Lungenhochdruck, – hat Ghofrani zusammen mit zwei Forschern des Pharmaunternehmens Bayer im Dezember 2015 aus der Hand des Bundespräsidenten sogar den Deutschen Zukunftspreis erhalten.
Früher gab es kaum Möglichkeiten,
den Lungenhochdruck zu behandeln. Mittlerweile sind wirksame Medikamente verfügbar, mit denen sich die Beschwerden der Patienten lindern und die körperliche Belastbarkeit verbessern lassen.
Zu den neuen Medikamenten zählt „Riociguat", an dessen Entwicklung ein Wissenschaftlerteam des Deutschen Zentrums für Lungenforschung maßgeblich beteiligt war.
Ein Blick zurück
Als Werner Seeger, heute Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Lungenforschung, im Jahr 1991 seine Professur in Gießen übernahm, gründete er die erste klinische Forschergruppe in Deutschland, die sich mit „respiratorischer Insuffizienz", der schwachen und gestörten Atmung, beschäftigte. Zunächst konzentrierten sich die Arbeiten der Forscher auf das akute Lungenversagen. „Von dort war es nur ein kurzer Weg zur Erforschung des chronischen Lungenhochdrucks", blicken Ghofrani und Schermuly zurück.
Damals gab es einzig hochdosierte Kalziumantagonisten, um Lungenhochdruck zu behandeln. Sie wirken aber nur bei wenigen Patienten. Mitte der 1990er-Jahre kamen die gefäßerweiternden Prostazykline hinzu. Sie mussten den Patienten als Dauerinfusion über einen zentralen Katheter verabreicht werden. Weil die Dosis häufig erhöht werden musste, kam es zu gravierenden Nebenwirkungen.
Der erste Erfolg, den das Gießener Forscherteam für sich verbuchen konnte, war die Entwicklung eines Prostazyklins, das sich einatmen lässt. Die neue Verabreichungsweise erwies sich als wesentlich verträglicher sowie leichter anwendbar und wurde im Jahr 2003 zugelassen.
„TRANSLATION IST BEI UNS KEIN MODEWORT, SONDERN WIRD TAGTÄGLICH GELEBT."
Werner Seeger
Prostazykline entfalten ihre gefäßerweiternde Wirkung in der glatten Gefäßmuskulatur. Dazu nutzen sie den Botenstoff „cyclisches AMP" (cAMP). Die Gießener Wissenschaftler wollten wissen, wie sich der gefäßerweiternde Effekt der Prostazykline verstärken lässt, und wurden auf das Schwestermolekül „cyclische Guanosinmonophosphat", kurz cGMP, aufmerksam.
Es ist in eine wichtige molekulare Kaskade eingebunden, die von Stickstoffmonoxid (NO) ausgeht – einem kleinen, extrem reaktionsfreudigen Molekül, das den Blutgefäßen signalisiert, sich zu erweitern. NO aktiviert ein Enzym namens „lösliche Guanylatcyclase", das wiederum den Botenstoff cGMP entstehen lässt. Am Ende der Kaskade wird Kalzium freigesetzt, wodurch sich die Zellen der Gefäßmuskulatur entspannen. Auf diese Weise reguliert NO den Blutdruck und die Blutversorgung der Organe.
Lebensfroh trotz Lungenhochdruck:
Daniela Moritz erzählt uns ihre Geschichte und war bereit zu einem etwas anderen Fotoshooting.
Der Artikel wird unterhalb des nachfolgenden Patientenporträts fortgesetzt.