Aus Sicht der Mikroorganismen ist es eine einzigartige Erfolgsstory: Enterokokken, eine weit verzweigte Familie kugelförmiger, grampositiver Bakterien, die auch etwa 0,1 Prozent des menschlichen Mikrobioms ausmachen, gibt es seit etwa 500 Millionen Jahren. Ihre Vorfahren gingen also schon mit den ersten Lebewesen an Land und haben sich seither perfekt an den Darm von Säugetieren angepasst. Eiszeiten haben sie überlebt und lange Trockenperioden. Kein Wunder, dass sie nicht nur Temperaturen bis 45 Grad Celsius und hohe Salzkonzentrationen ertragen, sondern Desinfektionsmitteln und zunehmend auch Antibiotika trotzen. So wie Mitglieder der Spezies Enterococcus faecium, denen das Antibiotikum Vancomycin lange Zeit zuverlässig den Garaus machte.
Risiko für Immungeschwächte
Während das Mikrobiom von Gesunden – die Gesamtheit der Mikroorganismen, die einen gesunden Menschen besiedeln – mit wenigen dieser äußerst widerspenstigen VREf-Bakterien gut zurechtkommt, können sie für Frischoperierte, Krebspatientinnen und -patienten sowie immungeschwächte Menschen gefährlich werden. „VREf sind Auslöser von Blutstrominfektionen und von Wundinfektionen nach Bauchoperationen", erklärt Dr. Lena Biehl, Infektiologin an der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln. „Nach einer Darmoperation können sie Sepsis und Bauchfellentzündungen hervorrufen, die teilweise nur schwer zu behandeln sind."
Noch gibt es Reserveantibiotika, die wirken. „In vorherigen Studien hatten wir bereits gesehen, dass bestimmte VREf-Stämme deutschlandweit immer wieder in Patientenproben gefunden werden", sagt Lena Biehl. Das warf Fragen auf wie: Woher kommen die Erreger? Sind sie so umweltresistent, dass sie Kläranlagen überleben? Dann müssten die Überlebenskünstler auch in Flüssen und Seen zu finden sein. Biehls Kollege Dr. Paul Higgins, Leiter der Arbeitsgruppe „Dynamik antimikrobieller Resistenz" am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Köln, hatte bei der Sequenzierung der kompletten Bakteriengenome aus Patientenproben und aus einer kleinen Auswahl von Umweltproben, die er von Mikrobiologinnen und Mikrobiologen in Bonn erhalten hatte, bemerkenswerte Ähnlichkeiten der Stämme festgestellt. Bei der weiteren Diskussion dieser Ergebnisse wurde klar: Man brauchte Vergleichsproben aus Gewässern und Abwasserkläranlagen in anderen Regionen, um sie mit diesen und den bereits vorhandenen Proben von Patientinnen und Patienten aus DZIF-assoziierten Universitätskliniken in Hamburg, Lübeck, Berlin, Gießen, Köln, Tübingen und Freiburg vergleichen zu können. Das GAP-Projekt – eine Pilotstudie zur genomischen Diversität von VREf-Stämmen in Patientinnen und Patienten und der Umwelt – ging an den Start.
Proben aus Gewässern
Zwischen 2018 und 2024 wurden 203 Umweltproben gezogen. Die Proben stammen sowohl aus Oberflächenwasser von Flüssen als auch aus geklärtem Abwasser. Esther Sib, damals zuständige Mikrobiologin am Institut für Hygiene und Public Health des Universitätsklinikums Bonn, analysierte die Proben. Nach der Filtration wurden die darin enthaltenen Mikroorganismen 48 Stunden auf Nährböden kultiviert, die antibiotikaresistenten VREf-Kolonien identifiziert, isoliert und zur Genomanalyse nach Köln geschickt.
In welchen Regionen die meisten resistenten Keime gefunden wurden, ist schwer zu sagen. „Wir wissen, dass die Mengen aufgrund verschiedener Einflussfaktoren stark schwanken. So können zum Beispiel Regen und lange Trockenphasen die Koloniezahlen stark verzerren", erklärt Esther Sib. „Deshalb haben wir die Proben qualitativ untersucht." Das Resultat: 124 Isolate enthielten eine VREf-Linie mit der Bezeichnung ST117, 60 die Linie ST80. In neun anderen Isolaten fanden die Forschenden eine weitere Linie, die kürzlich in Bayern als dominant beschrieben wurde. Nur zehn Proben enthielten verschiedene „Abweichler" dieser drei Linien.
Gibt es Unterschiede zwischen den älteren Proben und den jüngsten aus den Jahren 2023/2024? „Mit Ausnahme von Bayern sehen wir in ganz Deutschland ein fast einheitliches Bild", sagt Higgins. „In Bayern taucht jedoch in neueren Proben eine neue Linie auf. Sie wurde in drei Patientenisolaten und drei Isolaten aus der Umwelt gefunden und scheint aus Südeuropa zu stammen."
IHRE VORFAHREN GINGEN MIT DEN ERSTEN LEBEWESEN AN LAND.

MIT AUSNAHME VON BAYERN SEHEN WIR IN GANZ DEUTSCHLAND EIN FAST EINHEITLICHES BILD.

Obwohl den mehr als 2.000 Patientenproben nur 203 Umweltproben gegenüberstanden, ließ die Analyse nur einen Schluss zu: VREf-Bakterien sind in der Umwelt weit verbreitet und ähneln denen aus Patientenproben überraschend stark. „Wir haben 1.423 Gene genauer untersucht und verglichen", erklärt Paul Higgins. „Nicht verwandte Stämme unterscheiden sich in den Sequenzen von 200 bis 300 Genen. Als eng miteinander verwandt klassifizieren wir zwei Stämme nur dann, wenn sie in höchstens zwei bis drei Genen Unterschiede aufweisen." Selbst bei dieser strengen Einteilung fanden die DZIF-Forschenden Überlappungen – also eng verwandte Stämme – in den Isolaten aus Umwelt- und Patientenproben.
Zusammenspiel zwischen Klinik, Mensch, Tier und Umwelt
Higgins' Kollegin Dr. Kyriaki Xathopoulou am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Uniklinik Köln arbeitet ebenfalls an der VREf-Genomanalyse und ist den genetischen Veränderungen auf der Spur, die für die Antibiotikaresistenz verantwortlich sind. Sie betont: „Dass wir diese Stämme nicht nur bei den Patientinnen und Patienten, sondern auch in der Umwelt finden, ist für uns eine wichtige Erkenntnis. Denn es geht auch um den One-Health-Gedanken: Die Wechselwirkungen zwischen Klinik, Mensch, Tier und Umwelt tragen dazu bei, dass sich die Stämme auch außerhalb des Krankenhauses ausbreiten." Was bedeutet das für die Hygienemaßnahmen in den Kliniken? „Wir stellen uns ja immer wieder die Frage: Sollen wir Patientinnen und Patienten, die mit VREf besiedelt sind, isolieren oder nicht? Darüber ist sich die Fachwelt noch nicht einig", sagt Lena Biehl. „Aufgrund unserer Ergebnisse können wir davon ausgehen, dass es neben der Ausbreitung durch infizierte Personen im Krankenhaus auch noch weitere Verbreitungswege und -mechanismen gibt."
Grundsätzlich werden in Deutschland nur Patientinnen und Patienten auf bestimmten Stationen auf antibiotikaresistente Keime getestet. Etwa auf Intensivstationen, in der Onkologie und dort, wo immungeschwächte Menschen behandelt werden, zum Beispiel im Rahmen einer Knochenmarktransplantation. „Generell lassen sich durch regelmäßige Händedesinfektion, aber auch durch eine engmaschigere Zimmerreinigung – die Reinigung aller Oberflächen, Geräte und Nasszellen – bereits viele Übertragungen verhindern", betont Lena Biehl.
Wie kann eine weitere Ausbreitung verhindert werden?
Es wäre interessant zu wissen, ob nur Menschen, die in den letzten zehn Jahren im Krankenhaus waren, VREf im Darm tragen oder auch Gesunde, die nicht hospitalisiert waren. Dazu müssten Stuhlproben aus einem Querschnitt der Bevölkerung untersucht werden. Bleibt die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, die weitere Ausbreitung von Keimen wie VREf zu verhindern. Lena Biehl sieht dafür drei Ansatzpunkte: „Neben der Krankenhaushygiene müsste auch die Abwasserreinigung verbessert werden, da auch das aus einer Kläranlage als gereinigt abgegebene Wasser noch Bakterien enthält. Außerdem gilt es, auf Antibiotika zu verzichten, wo immer es geht, damit Resistenzen gar nicht erst entstehen und selektiert werden können."
Muss jetzt jede und jeder befürchten, sich beim Schwimmen in Seen oder Flüssen mit VREf zu infizieren? Bei immungesunden Menschen scheint das Risiko gering. Problematisch wird es erst, wenn das Mikrobiom im Darm durch Antibiotika zerstört wird: Während alle anderen Mikroorganismen abgetötet werden, bleiben die resistenten übrig und können sich nun ungehindert vermehren. „Das ist, als würde man alle Bäume in einem Garten fällen: Es dauert sehr lange, bis neue Bäume nachwachsen", sagt Paul Higgins. In der Zwischenzeit kann sich ein zuvor unscheinbares Unkraut – in diesem Fall ein resistenter Keim – stark ausbreiten.

AUCH DAS AUS EINER KLÄRANLAGE ALS GEREINIGT ABGEGEBENE WASSER ENTHÄLT NOCH BAKTERIEN.
