SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG

Mentale Gesundheit im Fokus

Das neue Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) setzt sich für die Prävention, Diagnose und Behandlung psychischer Störungen ein. Die beiden Gründungssprecher Andreas Meyer-Lindenberg und Andreas Heinz erläutern hier ihre Ziele.
Mit dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) wird ein weiteres Deutsches Zentrum der Gesundheitsforschung (DZG) aufgebaut. Es hat im Mai 2023 seine Arbeit aufgenommen und setzt sich für eine frühe, personalisierte und präventive Behandlung von psychischen Erkrankungen ein. Die Gesundheit der Psyche hängt sehr eng mit der körperlichen Gesundheit zusammen: Viele psychische Störungen, wie etwa Suchterkrankungen, führen zu einer Erhöhung des Risikos für somatische Erkrankungen – also für Erkrankungen, die sich körperlich auswirken. „Entzündliche Veränderungen im Körper spielen beispielsweise bei vielen chronischen psychischen Erkrankungen eine Rolle“, sagt Professor Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und einer der Gründungssprecher des DZPG. „Daraus ergeben sich viele Fragen, die für die Forschung relevant sind, und wir erwarten in Zusammenarbeit mit den anderen DZG ganz neue Erkenntnisse.“
WER AN EINER SCHWEREN PSYCHISCHEN ERKRANKUNG LEIDET, STIRBT 15 ODER SOGAR NOCH MEHR JAHRE FRÜHER ALS MENSCHEN OHNE.
Das DZPG will Betroffene, Angehörige und professionelle Kräfte auf Augenhöhe zusammenbringen.

Trialogische Arbeit

Das DZPG konzentriert sich auf drei Hauptforschungsbereiche: Dies sind erstens Risiko- und Resilienzfaktoren für psychische Gesundheit und somatische Komorbiditäten über die gesamte Lebensspanne hinweg, zweitens innovative, individualisierte Interventionen sowie drittens Prävention, Genesung und Teilhabe im Lebensumfeld. Das Zentrum arbeitet trialogisch: Es will Betroffene, Angehörige und professionelle Kräfte auf Augenhöhe zusammenbringen. „So eine enge partizipative Einbindung gab es bisher in dieser Form nicht in Deutschland“, erklärt Professor Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und ebenfalls Gründungssprecher des DZPG. „Auch in der Entstehung des DZPG haben wir bewusst von Anfang an mit klaren Mitbestimmungsrechten gearbeitet.“
Das DZPG arbeitet standortübergreifend an gemeinsamen Projekten.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte das Zentrum im Jahr 2020 ausgeschrieben und auf Grundlage von Empfehlungen eines internationalen Expertengremiums sechs Standorte ausgewählt: Berlin/Potsdam, Bochum/Marburg, Jena/Halle/Magdeburg, Mannheim/Heidelberg/Ulm, München/Augsburg und Tübingen. Sie arbeiten auch gemeinsam an Leuchtturmprojekten, beispielsweise zu urbaner psychischer Gesundheit: Da die Standorte ganz unterschiedliche städtische Lebenswelten abbilden, bieten sie beste Bedingungen für aufschlussreiche Untersuchungen. In Städten gibt es eine Häufung von psychischen Erkrankungen. „In Nachbarschaften, in denen viele Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind, gibt es nachweislich mehr psychische Beschwerden“, so Meyer-Lindenberg. „Individuelles Einkommen und Bildungsgrad hängen mit psychischen Beschwerden zusammen und das liegt eben nicht nur an mangelnden Ressourcen, sondern auch an der Community. Aus solchen Faktoren ergibt sich ein Gesamtbild, auf dem Präventionsmaßnahmen aufgebaut werden können.“

Mit KI große Schritte gehen

Das DZPG setzt sich zum Ziel, dass Menschen mit Erkrankungen, die als psychisch verstanden werden, nicht anders wahrgenommen werden als jene mit Erkrankungen, die körperlich verstanden werden. Und: „Wir wollen erreichen, dass die diagnostischen Kriterien ergänzt werden, um eine personalisierte Behandlung zu ermöglichen“, so Andreas Heinz. „Denn eine Depression beispielsweise könnte vorwiegend genetisch bedingt, durch eine frühe Traumatisierung oder durch aktuelle lebensgeschichtliche Ereignisse ausgelöst worden sein – oder, was häufig der Fall ist, durch eine Kombination aus allen drei Faktoren.“ Auch die Behandlung leitet sich daraus ab. „Einer der großen Vorteile des DZPG ist, dass es mit einem sehr großen Einzugsgebiet sowie vielen Akteurinnen und Akteuren und sowohl mit klinischem Wissen und exzellenten Forschungsinfrastrukturen als auch unter Einbeziehung künstlicher Intelligenz große Schritte gehen kann.“

Die Aufnahme in den Kreis der DZG bietet zusätzliche Chancen: „Für uns ist wichtig, die Interaktion mit anderen Fachgebieten zu intensivieren und dafür bieten die DZG beste Bedingungen“, so Meyer-Lindenberg. „Wir arbeiten bereits seit Längerem mit einzelnen Zentren zusammen, weil es viele Schnittstellen gibt: Depressionen erhöhen beispielsweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese wiederum – und alle Beschwerden, welche die körperliche Fitness einschränken – erhöhen das Risiko für psychische Beschwerden.“
Vernetzung ist in der Erforschung psychischer Erkrankungen hochrelevant.

Translation und Vernetzung im Fokus

„Neben der Grundlagenforschung steht Implementationsforschung von der ‚Bettkante in die Praxis‘ für uns im Mittelpunkt. Und wir forschen spezifisch dazu, wie die Versorgung verbessert werden kann und was jemand in einer bestimmten Phase seiner Erkrankung braucht – die sogenannten Step-Care-Ansätze.“ Auch Vernetzung ist laut Andreas Heinz in der Erforschung psychischer Erkrankungen hochrelevant: „Wir wollen ein Zentrum aufbauen, das im Bereich der internationalen Spitzenforschung sehr sichtbar verankert ist.“ Weiterhin sei es äußerst gewinnbringend, mit prospektiven Kohorten anderer Gesundheitszentren zusammenzuarbeiten. „Wenn Erkrankungen Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche des Körpers haben, ist es umso wichtiger, dass alle, die sich damit beschäftigen, eng kooperieren.“
Text: Juliane Gringer
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