SYNERGIE – Forschen für Gesundheit
Das Magazin der DZG

Wie die Leber ihr Fett wegbekommt

Wer einen Typ-2-Diabetes hat, leidet häufig auch unter einer Fettleber. Durch Abnehmen allein gelingt es meist nicht, das Organ zu entlasten. Eine medikamentöse Therapie gab es bislang auch nicht – das könnte sich jetzt ändern: Zwei Wirkstoffe, die sich zur Behandlung von Diabetes bewährt haben, helfen auch gegen Fettleber.
Ein Übel kommt selten allein: Typ-2-Diabetes geht in der Regel mit einer Reihe weiterer körperlicher Beschwerden einher. Bei drei von vier Betroffenen lagern sich vermehrt Fette in der Leber ein – und das belastet den Organismus zusätzlich: „Menschen mit Diabetes und einer Fettleber haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen und für diabetische Nervenerkrankungen gegenüber jenen, die an Diabetes leiden, aber keine Fettleber haben“, sagt Professor Dr. Michael Roden, Direktor des Deutschen Diabetes-Zentrums in Düsseldorf und Vorstand des DZD. Weil es bislang keine zugelassenen Medikamente gegen eine Fettleber gibt, können Betroffene die folgenschwere Organveränderung in der Regel nur durch ihren Lebenswandel beeinflussen. „Wer drei bis fünf Prozent seines Körpergewichts abnimmt, kann die Leberverfettung deutlich reduzieren“, betont der Wissenschaftler. „Doch vielen Menschen fällt es schwer, konsequent und dauerhaft das Gewicht zu reduzieren. Deshalb wollen wir ihnen auch medikamentöse Therapieoptionen anbieten.“

Dabei verfolgt Rodens Team einen praxisnahen Ansatz: „Wir konzentrieren uns aktuell auf Substanzen, die bereits als Medikamente zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen sind“, erklärt Dr. Sabine Kahl, die in der Arbeitsgruppe die klinischen Studien leitet. Die Wahl fiel auf den Wirkstoff Empagliflozin. Er blockiert ein Transporteiweiß in der Niere und hemmt dadurch die Rückgewinnung von Glukose aus dem Harn ins Blut. Der Körper scheidet mit dem Urin vermehrt Zucker – und somit auch mehr Kalorien – aus und senkt den Blutzuckerspiegel. „Wir haben uns gefragt: Kann das Medikament auch die Fettleber zurückdrängen“, so Kahl. „Und falls ja: Bei welchen Diabetespatientinnen und -patienten und in welchen Stadien ihrer Erkrankung erreichen wir eine Verbesserung? Dazu gab es bislang nur wenige Erkenntnisse.“
Inzwischen gibt es sie. Denn die Ärztin suchte gemeinsam mit Forschenden des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Heidelberg und Tübingen nach Freiwilligen für eine Medikamentenstudie mit Empagliflozin. Sie sollten einen gut eingestellten Typ-2-Diabetes haben, jedoch keine Insulintherapie durchlaufen. Die Testpersonen erklärten sich bereit, 24 Wochen lang täglich die ihnen zugewiesenen Medikamente einzunehmen sowie vor, während und nach Abschluss der Studie ihren Leberfettgehalt und wichtige Blutparameter messen zu lassen. Es zeigte sich, dass vier von fünf der teilnehmenden Männer und Frauen zu Studienbeginn bereits eine Fettleber entwickelt hatten – obwohl sie weniger als sieben Jahre lang an Diabetes litten.

Die insgesamt 84 Probandinnen und Probanden bekamen nach dem Zufallsprinzip entweder Empagliflozin oder ein Scheinmedikament, ein so genanntes Placebo, verabreicht. Am Ende wurden die Leber- und Blutwerte sowie das Körpergewicht der beiden Gruppen verglichen. Dabei zeigten sich beträchtliche Unterschiede: Die mit Empagliflozin behandelten Frauen und Männer hatten im Mittel 2,5 Kilogramm mehr abgenommen als jene aus der Placebo-Gruppe. „Diesen Effekt hatten wir erwartet, denn dafür ist der Wirkstoff ja bekannt“, erklärt Sabine Kahl. Erfreulicherweise beeinflusste das Medikament auch die Fettleber: Der Fettgehalt verringerte sich absolut um 1,8 Prozent und lag damit etwa ein Drittel unter dem Ausgangswert.

GROSSE MULTICENTERSTUDIEN

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung hat mehrere klinische Multicenterstudien aufgelegt, die noch präzisere Präventions- und Therapiemaßnahmen ermöglichen sollen. Ziel ist vor allem die passende Behandlung für die richtige Patientengruppe zur richtigen Zeit.

Die Größe der Studien mit entsprechend vielen Teilnehmenden wird möglich, weil das DZD deutschlandweit zusammenarbeitet. Inhaltlich widmet es sich den Themen Typ-1- und Typ-2- sowie Schwangerschaftsdiabetes, Folgeerkrankungen sowie der Behandlung von Fettleber bei Diabetes beziehungsweise Insulinresistenz im Gehirn.

Erste Ergebnisse zeigen unter anderem, dass es unterschiedliche Subtypen des Prädiabetes und Diabetes gibt – mit unterschiedlich hohem Risiko, einen Diabetes beziehungsweise schwere Folgeerkrankungen zu entwickeln. In neuen Studien arbeitet das DZD nun mit für die einzelnen Untergruppen abgestimmten Interventionen und Therapien, um das Entstehen der Stoffwechselerkrankung und ihrer Komplikationen zu verhindern oder zu verzögern.
Damit noch nicht genug des Guten: Das Medikament führte auch zu einem Anstieg des Fettgewebshormons Adiponektin und senkte die Harnsäurespiegel im Blut der Diabetespatientinnen und -patienten. „Harnsäure kann Entzündungsreaktionen hervorrufen, unter anderem im Fettgewebe. Empagliflozin führt dazu, dass mehr Harnsäure über den Urin ausgeschieden wird. Das kann Entzündungen im Fettgewebe vermindern, was wiederum die Freisetzung von Adiponektin fördert. Wir wissen, dass das Hormon den Fettstoffwechsel in der Leber anregt und somit zur Reduktion des Leberfetts beitragen kann“, erklärt Sabine Kahl den möglichen Zusammenhang beider Befunde. Die verschiedenen Prozesse, die von Empagliflozin angestoßen werden, ergänzen sich in ihrer positiven Wirkung, betont die Ärztin: „Der Gewichtsverlust ist vermutlich maßgeblich für den Abbau des Leberfetts. Davon unabhängig wird mehr Adiponektin produziert und kurbelt seinerseits den Fettabbau in der Leber an.“

Die Ergebnisse der mit Unterstützung von Boehringer Ingelheim durchgeführten Studie belegen, dass sich eine Fettleber bei Menschen mit Typ-2-Diabetes medikamentös behandeln und zurückdrängen lässt. Doch gilt das auch, wenn die Leber stärker geschädigt ist? Tatsächlich steigt bei Diabetes und Fettleber auch das Risiko für eine Leberfibrose. Diese entsteht, wenn sich eine Fettleber entzündet und die betroffenen Bereiche in Bindegewebe umgewandelt werden. „Es gibt bisher kaum Studien darüber, ob Empagliflozin oder andere Antidiabetika auf die Fibrose der Leber Einfluss haben. Deshalb wollen wir das jetzt an Diabetes-Patienten untersuchen, die bereits an einer Fettleberentzündung leiden“, sagt Sabine Kahl. Neben Empagliflozin soll ein weiteres, bereits für die Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassenes Medikament untersucht werden. Es heißt Semaglutid und entfaltet seine Wirkung nach einem grundsätzlich anderen Mechanismus als Empagliflozin: Es ahmt ein körpereigenes Darmhormon nach, das nach dem Essen produziert wird und ein Sättigungsgefühl erzeugt. Zudem steigert es blutzuckerabhängig die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse. „Durch die Anwendung von Semaglutid hat man weniger Hunger und ist schneller satt. Das führt dazu, dass man weniger Kalorien aufnimmt und infolgedessen abnimmt. Zudem ist die Blutzuckereinstellung verbessert. Uns interessiert, ob sich durch diese Prozesse auch eine Leberentzündung bessern oder zurückbilden kann“, erläutert Sabine Kahl.
ES GIBT BISHER KAUM STUDIEN DARÜBER, OB ANTIDIABETIKA AUF DIE FIBROSE DER LEBER EINFLUSS HABEN.
DIE VISION: IN ZUKUNFT SOLLEN AUCH PERSONEN MIT TYP-2-DIABETES, DIE AN EINER FETTLEBER ODER LEBERFIBROSE LEIDEN, EINE WIRKUNGSVOLLE THERAPIE BEKOMMEN KÖNNEN.
Die geplante Studie soll 48 Wochen dauern, also doppelt so lange wie die vorherige. Und es sollen insgesamt 192 Testpersonen daran teilnehmen, die – wieder nach dem Zufallsprinzip – in drei Gruppen aufgeteilt werden: Eine Gruppe erhält Empagliflozin, um dessen Wirkung auf die Leber abschätzen zu können. Eine zweite Gruppe erhält Empagliflozin und Semaglutid, um eine mögliche Wirkungssteigerung durch Kombination beider Medikamente zu untersuchen. Eine dritte erhält ein Scheinmedikament und dient als Kontrollgruppe. Seit März 2021 läuft an 40 Kliniken in ganz Deutschland die Suche nach Freiwilligen, die an der Studie teilnehmen wollen. Die Studie wird mit Unterstützung durch Boehringer Ingelheim und NovoNordisk durchgeführt.

Parallel dazu werden an Mäusen die zellulären Mechanismen von Empagliflozin, Semaglutid und weiteren Diabetes-Medikamenten untersucht. Die aufwändigen Forschungsarbeiten sollen letztlich den Menschen zugutekommen, betont Sabine Kahl: „Meine Vision ist, dass wir in Zukunft auch Personen mit Typ-2-Diabetes, die an einer Fettleber oder Leberfibrose leiden, eine wirkungsvolle Therapie ihrer Erkrankung anbieten können – genauso wie sich heute schon verschiedene Stoffwechselstörungen oder Bluthochdruck medikamentös sehr gut behandeln lassen.“
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